07. August, 2025

Märkte

Zwischen Baustopp und Milliardenregen – Der deutsche Arbeitsmarkt im Bau-Modus

Die Baubranche steht still, der Arbeitsmarkt kippt – und ausgerechnet jetzt sollen 400 Milliarden Euro Sondervermögen die Trendwende bringen. Doch wie soll das gelingen, wenn Planer, Bauleiter und Fachkräfte fehlen – und Prozesse bremsen statt beschleunigen?

Zwischen Baustopp und Milliardenregen – Der deutsche Arbeitsmarkt im Bau-Modus
2025 werden voraussichtlich unter 200.000 Wohnungen fertiggestellt – obwohl über 320.000 pro Jahr gebraucht würden.

Kurzarbeit auf der Baustelle, Stellenanzeige online

Während in vielen Bauunternehmen die Auftragsbücher leer bleiben, ist die Nachfrage nach Bauingenieuren, Projektleitern und Planern ungebrochen.

Das Jobportal Stepstone meldet einen Anstieg der Bau-Stellenausschreibungen um fast zehn Prozent seit 2019. Gleichzeitig wurde 2024 erstmals seit 15 Jahren Personal abgebaut – ein Widerspruch, der tiefer sitzt als gedacht.

Mehr Arbeitslose, aber zu wenig Bewerber

Im Juli 2025 kratzt die Arbeitslosenzahl an der 3-Millionen-Marke – und gleichzeitig klagt die Bauwirtschaft über Engpässe bei Fachkräften. Es trifft die Branche doppelt: Wer keine Aufträge bekommt, stellt niemanden ein.

Und wenn doch, fehlt das Personal. Eine paradoxe Gleichzeitigkeit, wie sie derzeit nur der deutsche Arbeitsmarkt hervorbringt.

400 Milliarden Euro auf dem Papier – doch wer baut sie um?

Das Sondervermögen Infrastruktur klingt beeindruckend: 400 Milliarden Euro bis 2037, zusätzlich 100 Milliarden für Länder und Kommunen. Straßen, Schienen, Schulen, Stromnetze.

Die Liste ist lang – doch die größte Frage bleibt unbeantwortet: Wer soll das alles planen, genehmigen, bauen? Der Fachkräftemangel in der Bauleitung ist längst kein Randthema mehr – sondern die zentrale Wachstumsbremse.

Planung im Rückstand – und die Verwaltung auch

Selbst wenn das Geld fließen könnte, ist die öffentliche Hand oft das Nadelöhr. Bauämter sind unterbesetzt, nicht digitalisiert, veraltet strukturiert. Eine Bauvoranfrage im Jahr 2025 dauert mit Glück Wochen, mit Pech Monate.

„Die Prozesse sind zu schwerfällig, zu analog, zu wenig lösungsorientiert“, sagt Bauberater Klaus-Peter Stöppler. Und das in einem Markt, der eigentlich dringend Tempo bräuchte.

Trotz angekündigter 400 Mrd. Euro Sondervermögen fehlen Planer, Fachkräfte und Genehmigungen – viele Projekte starten erst gar nicht.

Zukunftsprojekte ohne Personal – das Bau-Dilemma

Laut QuBe-Projekt könnten bis 2040 über 340.000 Stellen in baunahen Berufen verschwinden. Gleichzeitig fehlen schon jetzt Menschen, um bestehende Infrastruktur zu erhalten.

Der Mangel an Bauingenieuren ist laut CDU-Wirtschaftsrat „eine stille, aber hochgefährliche Wachstumsbremse“. Und es wird nicht besser: Die Zahl der Studienanfänger in baubezogenen Fächern ist rückläufig.

Wohnungsbau im Tiefflug

Auch beim Wohnraum sieht es düster aus. In den vergangenen drei Jahren ist die Entwicklung neuer Wohnflächen um rund 85 Prozent eingebrochen. Für 2025 erwartet die Branche weniger als 200.000 Neubauwohnungen – gebraucht würden aber mindestens 320.000.

Projektentwickler halten sich zurück, Baugenehmigungen stagnieren. Und die Bundesregierung? Investiert zwar 23,5 Milliarden Euro in sozialen Wohnungsbau – doch der Flaschenhals bleibt die Umsetzung.

Tariftreue und Realität

Das neue Tariftreuegesetz soll Dumping bei öffentlichen Aufträgen verhindern. Doch in der Branche wird diskutiert, ob genau das die Hürde für schnellere Umsetzung noch höher legt. „Man will Milliarden verteilen – und bremst gleichzeitig mit neuen Auflagen“, kritisiert der CDU-nahe Wirtschaftsrat. Der Gedanke ist richtig, die Umsetzung nicht zwingend effizient.

Fachkräftelücke: Import statt Ausbildung?

Zwischen 2009 und 2024 ist der Anteil ausländischer Arbeitskräfte im Bauhauptgewerbe von acht auf 24 Prozent gestiegen. Zuwanderung gleicht aus, was Ausbildung nicht mehr liefern kann. Doch das ist ein Spiel auf Zeit. Ohne gezielte Qualifizierung, bessere Studienbedingungen und attraktivere Karrierewege droht ein strukturelles Personaldefizit – trotz wachsender Investitionen.

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