Deutschlands Wirtschaftsverbände machen Druck: Weil immer weniger Menschen einer Kirche angehören, sollen christliche Feiertage fallen – etwa der Ostermontag oder der zweite Weihnachtsfeiertag.
Der Vorschlag stößt auf heftige Kritik und trifft auf eine Bevölkerung, die davon wenig hält. Was steckt hinter der Debatte – und was steht wirklich auf dem Spiel?
Feiertage unter Druck
Es ist ein Vorstoß, der zum gesellschaftlichen Reizthema taugt: Claudia Sturm, Vizepräsidentin des Verbands „Die Familienunternehmer“, fordert öffentlich die Streichung eines christlich geprägten Feiertags. Ihr Argument: Die religiöse Bindung in der Bevölkerung nehme rapide ab – doch vom arbeitsfreien Tag profitierten alle.
„Das passt nicht mehr zur gesellschaftlichen Realität“, sagte Sturm gegenüber dem SWR. Auch die „Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft“ (VBW) springt ihr zur Seite und schlägt konkret den Ostermontag, Pfingstmontag oder den zweiten Weihnachtsfeiertag zur Disposition vor.
Der Hintergrund: In Deutschland nimmt die Zahl der Kirchenmitglieder seit Jahrzehnten kontinuierlich ab. Laut Zahlen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Deutschen Bischofskonferenz sank der Anteil der Katholiken und Protestanten 2023 erstmals zusammen unter 50 Prozent.
Der Staat finanziert dennoch weiter durch die Steuerpolitik kirchliche Privilegien – und trägt zugleich die volkswirtschaftlichen Kosten von religiös motivierten arbeitsfreien Tagen.
Wirtschaftliche Motive – fragwürdiger Nutzen
Die wirtschaftliche Argumentation der Verbände ist simpel: Ein gestrichener Feiertag bringe mehr Arbeitstage, mehr Produktivität – und damit mehr Wachstum. Doch wie valide ist das?

Eine Analyse der OECD zeigt: Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit in Deutschland liegt bei etwa 34,3 Stunden – und damit unter dem EU-Schnitt. Dennoch gehört Deutschland zu den exportstärksten Industrienationen der Welt. Der Zusammenhang zwischen Arbeitszeit und Produktivität ist also keineswegs linear.
Auch eine aktuelle YouGov-Umfrage wirft Zweifel an der These auf, dass weniger Feiertage der Wirtschaft automatisch nützen würden: 73 Prozent der Befragten lehnten die Streichung von Feiertagen zur wirtschaftlichen Belebung ab.
Noch deutlicher wird es beim Blick auf die wirtschaftlichen Nebeneffekte: Drei Viertel der Befragten glauben, dass Feiertage durch Reisen, Ausflüge und Gastronomie sogar positive Impulse liefern.
Symbolische Sprengkraft
Der Vorstoß ist nicht nur wirtschaftlich fragwürdig – sondern auch gesellschaftlich sensibel. Feiertage wie der zweite Weihnachtsfeiertag oder Pfingstmontag sind tief im kulturellen Selbstverständnis verankert.
Selbst konfessionslose Bürger verbinden sie mit familiären Ritualen, Ruhephasen oder kleinen Fluchten aus dem Alltag. Wer hier kürzt, greift nicht nur in die Kalender, sondern auch in gewachsene Lebensrhythmen ein.
Gleichzeitig wirft die Debatte eine grundsätzliche Frage auf: Wie säkular muss ein moderner Staat sein – und wie viel kulturelle Prägung darf er sich leisten? Während Frankreich oder die USA weitgehend auf religiös geprägte Feiertage verzichten, bleibt Deutschland stärker traditionsgebunden. Wer diese Strukturen angreift, muss mit gesellschaftlichem Widerstand rechnen – und der scheint bereits da zu sein.
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