47.600 Euro für PDFs und Zoom-Sessions
Die Versprechen klangen vertraut: Unternehmerisches Denken, finanzielles Wachstum, persönlicher Durchbruch. Zwei selbst ernannte Coaches boten ein neunmonatiges Programm zur „finanziellen Fitness“ an – zum Preis eines Mittelklassewagens.
Der Kunde, der das Paket buchte, stieg früh aus. Sein Vorwurf: arglistige Täuschung und formale Mängel. Nun hat der Bundesgerichtshof entschieden – und das Urteil dürfte die Branche umkrempeln.
Denn der Vertrag ist nichtig. Nicht, weil das Coaching schlecht war. Sondern weil das ganze Angebot gegen das Fernunterrichtsschutzgesetz verstieß. Eine staatliche Zulassung, wie sie für Fernlehrgänge vorgeschrieben ist, fehlte. Damit steht fest: Wer mit digitalem Wissen Kasse macht, muss sich an Regeln halten.
Ein juristischer Dammbruch
Das Urteil (Az. III ZR 109/24) ist ein Paukenschlag. Denn es betrifft nicht nur diesen Einzelfall, sondern ein gesamtes Geschäftsmodell. Hunderte Anbieter verkaufen in Deutschland teure Onlineprogramme zur Persönlichkeitsentwicklung, Unternehmensgründung oder finanziellen Selbstoptimierung.
Sie werben mit Buzzwords wie „Mindset“, „Mentorship“ und „Next-Level-Strategien“. Viele kombinieren vorproduzierte Videos mit Zoom-Calls, Facebook-Gruppen und optionalen Einzelgesprächen.

Der Trick: Die Anbieter stufen ihre Kunden als „Unternehmer“ ein – mit dem Ziel, das Widerrufsrecht zu umgehen. Bisher war das juristisch oft wirksam. Doch der BGH hat nun klargestellt: Auch Unternehmer sind im Fernunterrichtsschutz nicht schutzlos. Und: Auch ein Zoom-Coaching mit persönlichem Austausch kann rechtlich ein Fernlehrgang sein.
Reine Verkaufsmasche – oft ohne Substanz
Die Szene der Coachinganbieter boomt. Ob Steuer-Coach, E-Commerce-Berater oder Trading-Profi – viele verdienen in erster Linie an der Hoffnung anderer. Die Inhalte wirken oft beliebig, die Methoden austauschbar.
In Vorgesprächen geht es weniger um Inhalte als um Verkaufsdruck. Vertragsformulare erscheinen professionell – aber sind rechtlich oft fragwürdig.
Besonders perfide: Viele Programme laufen automatisiert. Das bedeutet, dass zusätzliche Teilnehmer kaum Kosten verursachen – wohl aber vier- oder gar fünfstellige Summen zahlen müssen. Ein Geschäftsmodell mit hohen Margen – und minimaler Rechenschaft.
Coaching oder Unterricht – das macht den Unterschied
Entscheidend für die rechtliche Bewertung ist der Charakter des Angebots. Geht es um reine Beratung? Oder um systematische Wissensvermittlung?
Der BGH hat nun deutlich gemacht: Sobald Lernkontrolle stattfindet – etwa durch Hausaufgaben, Live-Fragen oder Einsendearbeiten –, greift das Fernunterrichtsschutzgesetz. Dann braucht der Anbieter eine staatliche Zulassung.

Und genau daran scheitert die Mehrheit der derzeit am Markt tätigen Coachingsysteme. Denn eine ZFU-Zulassung (Zentralstelle für Fernunterricht) erfordert einen strukturierten Lehrplan, pädagogisch qualifiziertes Personal und eine didaktische Prüfung. Viele Anbieter können oder wollen das nicht leisten – was bislang aber kaum Konsequenzen hatte.
Was das Urteil jetzt ändert
Für enttäuschte Kunden könnte das BGH-Urteil zum Gamechanger werden. Wer hohe Summen gezahlt hat und unzufrieden ist, kann prüfen lassen, ob es sich beim gebuchten Programm um einen unzulässigen Fernlehrgang handelt. Ist das der Fall, gilt der Vertrag als nichtig – und das Geld kann zurückverlangt werden.
Die Branche selbst dürfte versuchen, auf „weiche“ Angebote auszuweichen: mehr Persönlichkeitsentwicklung, weniger konkrete Wissensvermittlung. Doch auch das hat eine Grenze – denn irgendwann stellt sich die Frage, wer für ein paar motivierende Worte ohne Substanz fünfstellige Beträge zahlt.
Ein Markt ohne Regulierung – bis jetzt
Die Entscheidung des BGH kommt spät – aber sie kommt. Über Jahre hinweg haben Anbieter ein rechtsfreies Feld genutzt, das weder Verbraucherschutz noch Qualitätskontrolle kannte.
Der Begriff „Coach“ ist in Deutschland nicht geschützt, jeder darf sich so nennen. Das hat findige Verkäufer auf den Plan gerufen – und nicht wenige Kunden in die Irre geführt.
Nun zeigt das Urteil: Wer Bildungsversprechen verkauft, unterliegt Regeln. Und wer diese Regeln missachtet, riskiert Rückzahlungen in erheblichem Umfang. Für eine Branche, die auf Skalierung und Werbeversprechen gebaut ist, könnte das Urteil der Anfang vom Ende sein.
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