07. Juni, 2025

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TVöD statt Tiktok: Wie Sie im Staatsdienst wirklich Karriere machen

Wer beim Bund oder in der Kommune einsteigen will, braucht mehr als gute Noten. Zwei Headhunter erklären, wie man im Bewerbungsprozess nicht an Bürokratie, Tariftabellen oder starren Verfahren scheitert – und warum sich Eigeninitiative manchmal sogar rächen kann.

TVöD statt Tiktok: Wie Sie im Staatsdienst wirklich Karriere machen
Statt Transparenz oft ein schwarzes Loch: Viele Behörden antworten nicht mal auf eingegangene Bewerbungen – Bewerber müssen selbst nachfassen.

Ohne Ausschreibung kein Einstieg

Im öffentlichen Dienst zählt nicht die Initiative, sondern das Verfahren. Wer sich einfach blind bei einem Ministerium bewirbt, riskiert eine formelle Absage – selbst wenn die Bewerbung überzeugend ist.

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„Es gibt für jede Einstellung einen klar geregelten Ablauf, meist mit Fristen, Gremien und Ausschreibungspflicht“, sagt Ingo Scheider, Geschäftsführer der Kontrast Personalberatung, die auf Behörden und kommunale Unternehmen spezialisiert ist.

Bewerbungen außerhalb dieser Prozesse seien schlicht nicht zulässig – anders als in der Privatwirtschaft, wo Eigeninitiative geschätzt wird.

Formvollendet: Ohne vollständige Unterlagen geht nichts

Während in der Privatwirtschaft auch mal ein fehlendes Zeugnis verziehen wird, herrscht im Staatsapparat Nulltoleranz:

„Unvollständige Unterlagen führen fast immer zur direkten Ablehnung“, warnt Co-Geschäftsführerin Annette Feist.

Wer etwa Berufsnachweise, Approbationen oder Zertifikate nicht lückenlos einreicht, hat keine Chance – unabhängig von Qualifikation oder Bedarf. Es ist ein System, das auf juristische Nachvollziehbarkeit optimiert ist – nicht auf Schnelligkeit oder Menschenkenntnis.

Die Portale der Republik

Einfach eine Mail mit PDF? Vergessen Sie’s. Der öffentliche Sektor nutzt eigene Bewerbungsportale wie interamt.de oder hausinterne Plattformen. Wer stattdessen über LinkedIn oder auf gut Glück einen Lebenslauf an die Personalstelle schickt, wird in der Regel nicht einmal benachrichtigt.

„Oft scheitert die Bewerbung daran, dass die Person die falsche Plattform gewählt hat“, sagt Feist. Das Bewerbungsverfahren beginnt – wörtlich – mit dem richtigen Upload.

Der Staat sucht händeringend Fachkräfte, doch Initiativbewerbungen sind unerwünscht – ein Widerspruch, der dem demografischen Wandel trotzt.

Funkstille ist normal

Automatische Bestätigungsmails? Innerhalb von 48 Stunden ein erstes Feedback? Nicht beim Staat.

„Bewerber müssen sich darauf einstellen, dass es Wochen dauern kann, bis überhaupt eine Rückmeldung kommt“, sagt Feist.

Das liege nicht an Desinteresse – sondern an der komplexen internen Abstimmung, etwa mit Gleichstellungs- und Personalräten. Deshalb gilt: Freundlich nachfassen ist keine Dreistigkeit, sondern oft notwendig.

Stellen Sie sich auf ein Tribunal ein

Das Vorstellungsgespräch ist im öffentlichen Dienst weniger Gespräch als Auswahlverfahren. Persönliche Chemie spielt eine Nebenrolle, stattdessen gibt es Punktesysteme, strukturierte Fragen und Beurteilungskataloge.

„Wer hier nicht vorbereitet ist, fällt durch – auch wenn er oder sie fachlich top ist“, sagt Headhunter Scheider. Besonders wichtig: Wissen über die konkrete Institution und ihre aktuellen Herausforderungen. Wer sich beim Bauamt bewirbt, sollte wissen, wie viele Millionen an Fördermitteln gerade verbaut werden.

Motivation schlägt Marktwert

Während in der freien Wirtschaft oft zählt, wie man sich selbst vermarktet, legt der öffentliche Dienst Wert auf innere Haltung: Warum will jemand beim Staat arbeiten?

„Viele scheitern, weil sie zwar gut qualifiziert sind, aber nicht glaubwürdig erklären können, warum sie gerade für diese Position brennen“, sagt Feist.

Das Idealbild ist kein karrieregeiler Einzelkämpfer, sondern eine integrationswillige Fachkraft mit Überzeugung – und Durchhaltevermögen.

Flexibilität – aber nicht für den Staat

Quereinsteiger, Umsteiger, Rückkehrer: Der öffentliche Dienst ist prinzipiell offen für neue Lebensläufe. Aber er erwartet Anpassungsfähigkeit.

„Manche Stellen erfordern Präsenz vor Ort, auch wenn Remote-Arbeit theoretisch möglich wäre“, sagt Feist. Auch Teilzeit sei nicht immer gleich verfügbar. Wer sich unflexibel zeigt, sortiert sich schnell selbst aus – ohne es zu merken.

Gehaltsverhandlungen? Lieber nicht

Tarifverträge wie der TVöD oder der TV-L regeln Löhne und Zulagen haargenau – abhängig von Qualifikation, Berufserfahrung und Bundesland. Trotzdem versuchen viele Bewerber, im Gespräch zu feilschen.

„Das kommt nicht gut an“, sagt Scheider. Besser sei es, sich vorher über die eigene Eingruppierung zu informieren – und im Zweifel offen für Verhandlungsspielraum zu bleiben, etwa bei der Stufenzuordnung. Aber wer denkt, er könne sich wie bei einem Startup das Gehalt „pitchen“, hat das System nicht verstanden.

Auch der Staat googelt zurück

Digitale Visitenkarten sind längst Standard – auch im öffentlichen Dienst. Xing und LinkedIn werden von Personalern genutzt, um ein erstes Bild zu gewinnen. „Dabei geht es nicht um Hochglanzprofilierung, sondern um Konsistenz und Seriosität“, sagt Feist.

Widersprüchliche Lebensläufe oder überladene Profile werfen Fragen auf. Und: Wer dort etwa Führungsverantwortung oder Projektvolumen nennt, sollte das im Lebenslauf belegen können. Wer sich als Experte darstellt, muss liefern – auch digital.

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