In Europas Luftfahrt ist ein neues Machtzentrum im Entstehen. Air France-KLM will künftig 60,5 Prozent der skandinavischen SAS kontrollieren – ein Schritt, der weit über eine einfache Beteiligungsaufstockung hinausgeht.

Mit dem Zukauf sichert sich der Konzern nicht nur einen nordischen Fußabdruck, sondern setzt auch ein strategisches Zeichen: Der Wettbewerb mit Lufthansa und IAG verschärft sich – auf Routen, Märkten und am Verhandlungstisch.
Von der Krisen-Airline zum Übernahmeziel
Vor zwei Jahren war SAS noch ein Sanierungsfall: insolvenzbedroht, strukturell angeschlagen, abhängig von Staatshilfen. Doch Air France-KLM nutzte die Lage, stieg mit 19,9 Prozent ein – und sicherte sich damals bereits die Option auf eine Mehrheitsbeteiligung.
Diese zieht der Konzern nun – und übernimmt die Anteile von Castlelake und Lind Invest. Der dänische Staat bleibt mit 26,4 Prozent an Bord.
Dass die Mehrheitsübernahme jetzt erfolgt, ist kein Zufall: SAS hat sich operativ stabilisiert. Der angekündigte Kauf von bis zu 55 Embraer-Jets, die größte Flugzeugbestellung der Gesellschaft seit fast 30 Jahren, war das erste sichtbare Signal, dass die Airline zurück ist. Jetzt folgt der Eigentümerwechsel – mit geopolitischem Nebeneffekt.
Nordischer Hebel gegen Lufthansa
Air France-KLM wird durch den Deal nicht nur Anteilseigner – sie wird federführender Partner in einem Markt, der bislang eher Lufthansa-affin war. Besonders für innernordische und transatlantische Strecken bedeutet das: neue Codeshares, gemeinsame Angebote, einheitliche IT – und potenziell weniger Spielraum für die Konkurrenz.

Für Lufthansa ist das ein Rückschlag. Die Airline hatte sich in den vergangenen Jahren Anteile an ITA Airways und Air Baltic gesichert – doch SAS galt als eines der letzten großen Filetstücke im europäischen Markt.
Mit dem Einstieg von Air France-KLM ist klar: Die Konsolidierung geht weiter – und Lufthansa steht nicht mehr alleine auf der Jagd.
Der stille Staat – Dänemarks neuer Balanceakt
Interessant ist auch die Rolle des dänischen Staats. Zwar gibt er die Mehrheit ab, bleibt aber mit über einem Viertel der Anteile im Spiel – und behält Sitze im Verwaltungsrat.
Für Dänemark bedeutet das Einfluss ohne Führungsverantwortung. Doch auch ein diplomatischer Spagat: Das eigene Staatsunternehmen ist künftig Teil eines französisch-niederländischen Airlineverbunds – mitsamt dessen geopolitischer und marktwirtschaftlicher Interessen.
Die Europäische Bühne – und ihre Spielregeln
Die Übernahme ist mehr als ein Einzelfall. Sie passt in ein größeres Muster: Europas Fluglinien suchen nach Größe, Skaleneffekten und Marktzugang. Die Fragmentierung der 2000er-Jahre wird zunehmend rückabgewickelt – zugunsten großer Airline-Gruppen mit grenzüberschreitendem Portfolio.
In Brüssel wird das aufmerksam beobachtet. Die Konsolidierung bringt Effizienz – aber auch Marktmacht. Mit Lufthansa, Air France-KLM und der British-Airways-Mutter IAG gibt es drei dominierende Gruppen. Wettbewerbshüter dürften die neue Konstellation bei SAS genau prüfen – nicht zuletzt, weil die europäische Luftfahrtpolitik zuletzt auch industriepolitischer geworden ist.
Ein Schritt mit System – und Signalwirkung
Dass Air France-KLM nicht nur beteiligt bleibt, sondern durchgreift, ist auch innenpolitisch bemerkenswert. In Frankreich gilt der Konzern als nationales Aushängeschild – seine Expansionspolitik ist eng mit dem Elysée abgestimmt.
Dass nun skandinavische Interessen unter diese strategische Dachmarke fallen, ist Teil eines Plans: Europa soll auf eigenen Flügeln fliegen – mit französischer Handschrift.
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