Die Euphorie ist verflogen. Noch vor wenigen Monaten war Novo Nordisk der strahlende Liebling der europäischen Börse, gefeiert für seine milliardenschweren Umsatzbringer Ozempic und Wegovy.
Heute ist davon nicht mehr viel übrig. Nach einer erneuten Gewinnwarnung und der drastischen Herabstufung durch die UBS bricht das Vertrauen der Investoren ein – und das ausgerechnet kurz vor dem CEO-Wechsel an der Konzernspitze.
Abstufung mit Wucht
Die jüngste Analyse der Schweizer Großbank UBS hat es in sich: Statt wie bisher zum Kauf zu raten, setzt Analyst Matthew Weston Novo Nordisk nun auf "Neutral" – mit einem deutlich gesenkten Kursziel von 600 auf nur noch 340 Dänische Kronen.
Die Botschaft ist klar: Wachstum? Fehlanzeige. Die einstige Wachstumsgeschichte des dänischen Pharma-Konzerns sei an einem kritischen Punkt angelangt, so Weston.
Insbesondere die Aussichten für Wegovy – das viel diskutierte Mittel gegen Fettleibigkeit – stuft er als „unsicher“ ein. Ozempic, das milliardenschwere Diabetes-Medikament, habe seinen Zenit bereits überschritten.
Gewinnwarnung erschüttert das Vertrauen
Die Abstufung kommt nicht aus dem luftleeren Raum: Die Gewinnwarnung aus der vergangenen Woche war ein Paukenschlag für den Markt.
Auch wenn der genaue Einblick in die Quartalszahlen noch aussteht – sie werden an diesem Mittwoch erwartet –, dürfte der Dämpfer spürbar ausfallen. Besonders auf dem US-Markt scheint es zu haken. Das wirft die Frage auf, wie nachhaltig die zuletzt enormen Gewinne aus dem Bereich Adipositas und Diabetes wirklich sind.
Noch im vergangenen Jahr hatte sich der Markt beinahe überschlagen: Ozempic wurde zur Lifestyle-Spritze, Wegovy zum Hoffnungsträger für eine ganze Branche. Der Börsenwert von Novo Nordisk übertraf zeitweise den von Nestlé und LVMH. Heute hingegen überwiegen die Zweifel: Sind die Margen wirklich zu halten? Reicht die Produktionskapazität aus? Und wie stabil ist die Nachfrage, wenn der erste Hype vorbei ist?
Chefwechsel zur Unzeit
Ausgerechnet in dieser kritischen Phase übernimmt ein neuer Mann das Ruder: Ab Donnerstag wird Maziar Mike Doustdar, bisher EVP für das internationale Geschäft, als CEO die Nachfolge von Lars Fruergaard Jørgensen antreten.

Zwar setzt Novo Nordisk damit auf Kontinuität – doch Doustdar tritt kein leichtes Erbe an. Seine erste Aufgabe wird sein, das Vertrauen der Kapitalmärkte zurückzugewinnen. Denn aktuell sieht es nicht nach einem sauberen Führungswechsel aus, sondern eher nach einem Krisenmanagement unter Hochdruck.
Die Fallhöhe war extrem
Novo Nordisk galt lange als Paradebeispiel für europäische Pharma-Innovation. Die Aktie legte in den letzten fünf Jahren um mehr als 300 % zu. Die Erwartungen der Investoren waren entsprechend hoch – vielleicht zu hoch.
Schon kleinere operative Probleme oder regulatorische Verzögerungen können ausreichen, um die Bewertung unter Druck zu bringen. Analysten sprechen offen davon, dass die Bewertung weit mehr Fantasie als Fundament enthält.
Was Anleger jetzt wissen müssen
Die Unsicherheit rund um die Semaglutid-Produkte trifft Novo Nordisk an der empfindlichsten Stelle: Wegovy und Ozempic machen den Löwenanteil des Wachstums aus.
Sollte sich der Markt für Abnehmspritzen in den USA normalisieren oder gar abkühlen, drohen empfindliche Umsatzeinbußen. Hinzu kommen hohe Kosten für Produktionsausbau, Logistik und regulatorische Hürden, etwa durch die FDA. Auch das Thema Lieferengpässe ist längst nicht vom Tisch.
Trotz allem ist es zu früh für Abgesänge: Novo Nordisk hat in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, dass es Rückschläge verkraften kann. Der langfristige Trend in der Bekämpfung von Volkskrankheiten wie Diabetes oder Adipositas spricht weiterhin für den Konzern. Doch der Weg zurück zur alten Stärke dürfte länger und steiniger werden, als viele Anleger bislang glaubten.
Das könnte Sie auch interessieren:
