Nadelöhr der Weltwirtschaft unter Beobachtung
Der Krieg zwischen Israel und Iran hat eine neue Front eröffnet – nicht auf dem Schlachtfeld, sondern auf den Routen des Welthandels. Konkret: in der Straße von Hormus.
Nur 33 Kilometer misst die Meerenge an ihrer engsten Stelle, doch durch sie fließt ein Fünftel des globalen Ölhandels und rund ein Drittel aller LNG-Transporte. Sie ist der neuralgische Punkt, an dem Energiesicherheit, Geopolitik und Marktvolatilität aufeinanderprallen.
Nach dem US-Angriff auf iranische Atomanlagen wird die Passage zunehmend zum geopolitischen Risiko. Während Saudi-Arabien, Katar und die Emirate weiter exportieren, werden Reeder vorsichtiger – manche verzichten bereits auf Neuverträge.
Die Versicherungsprämien steigen, Reiserouten verschieben sich. Die Straße von Hormus, lange eine Selbstverständlichkeit in der globalen Logistik, wird zum Unsicherheitsfaktor mit Sprengkraft.
Satelliten zeigen, was Diplomatie verschweigt
Exklusive Aufnahmen des Berliner Satellitenanbieters LiveEO dokumentieren, was offizielle Kanäle diplomatisch verpacken: Tanker liegen an strategischen Punkten in Bereitschaft, Hafenanlagen sind voll ausgelastet, Umschlagpunkte wie Ras Tanura, Manifa oder Kharg Island erscheinen wie verwundbare Knotenpunkte eines fein gespannten Netzwerks.

In Ruwais (VAE) und Ras Laffan (Katar) laufen LNG-Verladungen weiter – aber unter höchster Sicherheitsstufe. Die Anlagen zeigen zwar Betrieb, doch Experten sprechen von stillen Kapazitätsreserven, falls eine Blockade eintritt. Auch Chinas Energiestrategen beobachten die Entwicklung mit Argusaugen: Fast 80 % des OPEC-Öls aus dem Golf geht nach Asien.
Eine Blockade wäre Selbstmord – und dennoch realistisch
Iran selbst ist auf die Straße von Hormus angewiesen: Der Großteil seiner Exporte verlässt das Land über Kharg Island – auch das zeigt das Bildmaterial eindrucksvoll.
Gleichzeitig schreckt das Regime nicht davor zurück, gezielt Schiffe zu kapern. Über 20 bekannte Zwischenfälle in den vergangenen Jahren, darunter die Beschlagnahmung der „MSC Aries“ 2024, zeigen: Iran nutzt die Straße als taktisches Druckmittel – ohne sie dauerhaft zu schließen. Noch.
Eine vollständige Blockade liegt nicht im wirtschaftlichen Interesse Teherans – aber als Eskalationswerkzeug bleibt sie jederzeit abrufbar. Besonders, wenn Israel weitere Angriffe startet oder die USA wieder Trägerverbände in den Golf verlegen. Die Straße von Hormus ist damit nicht nur Durchgang, sondern Drohkulisse – mit globalen Effekten.

Kein wirklicher Plan B
Pipelines nach Yanbu (Saudi-Arabien) oder über den Emiratshafen Fujairah ins Rote Meer liefern theoretisch Ausweichrouten – praktisch aber nur für ein Drittel des täglichen Bedarfs. Mehr als 14 Millionen Barrel am Tag lassen sich schlicht nicht umleiten. Die physischen Grenzen sind gesetzt – eine technische Kompensation scheitert an der Realität.
Der Rückgriff auf das Kap der Guten Hoffnung wird für viele Reeder wirtschaftlich zur Notlösung. Zwar ist die Route deutlich länger, aber immer noch günstiger, als Handelsschiffe mit bewaffneten Sicherheitsteams auszustatten oder Prämien von 20–30 % auf Transportversicherungen zu akzeptieren.
Was das für Transportpreise, Energiepreise und am Ende auch Inflationsdaten bedeutet, ist absehbar – aber noch nicht eingepreist.
Gewinner? Nur wenige – und nicht die, die man erwartet
Kurzfristig profitieren Rohstoffhändler, Versicherer und spezialisierte Sicherheitsfirmen. Auch Staaten mit stabilen Landrouten oder weniger gefährdeten Exporthäfen wie Norwegen oder Kanada können Marktanteile gewinnen.
Langfristig aber schaden Versorgungsängste dem Vertrauen in die Energiesicherheit – und verstärken die Diversifizierungstendenzen großer Importländer wie China und Indien.
Beobachter in Washington und Brüssel hoffen derweil, dass Peking mit diplomatischem Druck auf Teheran Einfluss nimmt. Doch mit zunehmender Politisierung der Lieferketten – von Seltenen Erden bis Öl – wird auch das Machtspiel um Meeresengen zur Dauerkomponente geopolitischer Strategie.
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