Wer dieser Tage Nutella, Ritter Sport oder Nusspli kauft, zahlt deutlich mehr – und bekommt womöglich bald weniger Nuss fürs Geld.
Der Grund: Die weltweite Haselnussversorgung steht unter Druck. Die Türkei, für rund 70 Prozent der globalen Produktion verantwortlich, erwartet nach Spätfrosten im April einen Ernteausfall von rund einem Drittel.
Statt üblicherweise 800.000 Tonnen werden dieses Jahr wohl nur 520.000 Tonnen geerntet.
Klimaschock mit globalen Folgen
Die Wetterextreme treffen die Hersteller zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Denn gleichzeitig explodieren auch die Preise für Kakao: Zwischen Anfang 2024 und Mitte 2025 hat sich der Weltmarktpreis zeitweise verdreifacht.
Das Resultat nennt sich "Climateflation" – und betrifft neben Haselnüssen auch andere Agrarrohstoffe wie Olivenöl, Kaffee oder Orangensaft.
Die Großhandelspreise für türkische Haselnüsse stiegen nach den Frostschäden im April um gut 30 Prozent. Gleichzeitig trifft die steigende Inflation auf eine Konsumzurückhaltung im Einzelhandel. Hersteller müssen die Quadratur des Kreises meistern: höhere Kosten, aber weniger Zahlungsbereitschaft beim Kunden.
Ferrero, Zentis und Ritter Sport im Krisenmodus
Besonders betroffen: Hersteller wie Ferrero, Zentis, Ritter Sport oder Seeberger. Der italienische Konzern Ferrero, weltweit größter Haselnussabnehmer, verarbeitet rund ein Viertel der türkischen Ernte. Der Anteil in Nutella liegt allerdings bei nur 13 Prozent.
Beim Konkurrenten Zentis ("Nusspli") sieht es ähnlich aus. Trotzdem machen sich die Aachener Sorgen: "Unser Anteil an türkischen Haselnüssen ist signifikant hoch", heißt es aus dem Familienunternehmen.
Ritter Sport wiederum benötigt jährlich rund 4.000 Tonnen Haselnüsse, die größtenteils ebenfalls aus der Türkei stammen. Die spezifischen Größenanforderungen machen es schwer, kurzfristig auf andere Lieferanten auszuweichen.

Man reagiert nun mit dem Aufbau eigener Haselnussfarmen in Frankreich – eine mittelfristige Strategie gegen zunehmende Engpässe.
Rezepturtricks und Shrinkflation
Während Großkonzerne noch nach alternativen Bezugsquellen suchen, passen manche Hersteller bereits die Rezepturen an. Netto reduzierte bei seiner "Lieblings Nuss-Nougat-Creme" den Haselnussanteil von 20 auf 13 Prozent.
Eine Entwicklung, die die Verbraucherzentrale Hamburg deutlich kritisiert. Auch beim Müslihersteller Kölln schrumpften die Verpackungsgrößen – ein klassischer Fall von "Shrinkflation".
Gleichzeitig steigen die Preise rasant: Seit 2022 wurde Nutella in Deutschland um 27 Prozent teurer, Nusspli um 37 Prozent. Eine Tafel "Voll-Nuss" von Ritter Sport kostet heute im Schnitt 2,29 Euro – das sind 65 Prozent mehr als noch vor drei Jahren.
Haselnussanbau am Limit
In der Türkei kämpfen die Bauern nicht nur gegen Frost. Sturzregen in Bergregionen schwemmt fruchtbare Erde weg, Schädlingsbefall durch Wanzen sorgt für Qualitätseinbußen, und viele Sträucher sind überaltert.
Die Rainforest Alliance beschreibt die Lage als "strukturell besorgniserregend". Moderne Anbaumethoden fehlen, staatliche Unterstützung ebenso.
Ferrero hat die Zeichen der Zeit erkannt und investiert in eigene Plantagen – unter anderem in Chile, Italien und den USA. Doch solche Maßnahmen dürften frühestens in mehreren Jahren Wirkung zeigen.
Verbraucher zahlen die Rechnung
Trotz globaler Lieferketten und industrieller Flexibilität: Am Ende trifft der Preisdruck die Verbraucher. Viele Mittelständler haben nicht die Kraft, Kostensteigerungen komplett zu kompensieren.
Seeberger etwa rechnet mit weiteren Preiserhöhungen – nicht nur bei Haselnüssen, sondern auch bei Aprikosen und Sultaninen. Die Verlustquote bei Aprikosen liegt laut Seeberger derzeit bei über 95 Prozent.
Die Branche steht damit vor einer doppelten Herausforderung: Klimawandel trifft auf Preis- und Lieferkettenrisiken. Dass dabei gerade Genussmittel wie Nuss-Nougat-Cremes oder Schokolade unter Druck geraten, macht das Thema greifbar für Millionen Haushalte. Die große Frage lautet: Wie viel Schokolade können wir uns morgen noch leisten?
Das könnte Sie auch interessieren:
