Hightech, Hochglanz – und ein Haushaltsloch
Eine Kaffeemaschine für 14.600 Euro. Zwei Stühle für je 6.000 Euro. Eine Einbauküche für 35.000 Euro. Und Videokonferenztechnik für 3,7 Millionen Euro.
Was klingt wie die Ausstattung eines gehobenen IT-Konzerns ist in Wahrheit Teil eines Projekts der nordrhein-westfälischen Polizei. Genauer gesagt: des sogenannten „Innovation Lab“ im Duisburger Innenhafen.
Der Landesrechnungshof hat sich das genauer angeschaut – und kommt zu einem eindeutigen Urteil: „völlig ausufernde Kosten“, fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfung, mangelnde Transparenz.
Die Projektkosten explodierten von ursprünglich geplanten 250.000 Euro auf am Ende rund 4,66 Millionen Euro. Eine erste Erhöhung um 1,5 Millionen sei sogar per Telefonanruf genehmigt worden – ohne schriftliche Dokumentation.
Polizei der Zukunft oder Prestigeprojekt mit Beigeschmack?
Dabei soll das „Innovation Lab“ der Polizei Nordrhein-Westfalen eigentlich ein Ort für digitale Zukunftstechnologien sein. Ein Vorzeigeprojekt für moderne Polizeiarbeit. Zu den Highlights zählt ein „Roboterhund“, der zur Erkundung von Einsatzorten dienen soll – ähnlich dem Modell von Boston Dynamics.
Doch der technische Fortschritt wird vom Rechnungshof kritisch beäugt. Der Vorwurf: Kein klares Konzept, keine belastbare Bedarfsanalyse, keine nachvollziehbare Ausgabenstruktur. Die 14.600-Euro-Kaffeemaschine steht inzwischen sinnbildlich für das, was die Prüfer als „mangelnde Haushaltsdisziplin“ bezeichnen.

Ministerium verteidigt – Rechnungshof bleibt hart
Das Innenministerium verteidigte die Ausgaben. Küche und Möbel seien „vergaberechtlich nicht zu beanstanden“ und würden sich „nahtlos in die bestehende Infrastruktur“ einfügen. Der Rechnungshof hält dagegen: Angemessen sei das trotzdem nicht. Präsidentin Brigitte Mandt zieht ein klares Fazit: „So bitte nicht.“
Und: Es gehe nicht um Formalien, sondern um politische Verantwortung im Umgang mit öffentlichen Mitteln.
NRW zwischen Sparkurs und Schuldenverlockung
Die Polizeiaffäre ist dabei nur ein Teil eines größeren Problems. Der Rechnungshof nimmt in seinem aktuellen Jahresbericht auch den Gesamtetat des Landes Nordrhein-Westfalen ins Visier. Zwar ist die Verschuldung 2024 um rund 1,7 Milliarden Euro gesunken – mit 163 Milliarden Euro bleibt sie aber auf einem gefährlich hohen Niveau.
Mandt warnt vor der Versuchung, durch die gelockerte Schuldenbremse neue Spielräume zu nutzen: „Neue Schulden lösen nur scheinbar Probleme. Sie schaffen eher neue.“ Bereits 2025 könnte NRW 3,2 Milliarden Euro neue Kredite aufnehmen. Im Haushalt ist das offenbar bereits eingeplant.
Haushaltsplan auf „tönernen Füßen“
Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) plant laut Rechnungshof mit sogenannten „globalen Mehreinnahmen“ von jährlich 5,5 Milliarden Euro – ab 2026. Die Summe ist enorm, die Herkunft unklar. Es sei nicht nachvollziehbar, woher diese Milliarden kommen sollen, so der Bericht.
Gleichzeitig brechen die Einnahmen weg. Zwischen 2026 und 2028 muss NRW laut Steuerschätzung mit 6,2 Milliarden Euro weniger rechnen als bislang gedacht. Die Ausgaben dagegen steigen: Personal, Schuldendienst, kommunale Altschulden – die Liste ist lang.
Gefangenentransporte ohne Überblick, Institute ohne Kontrolle
Neben dem Innovation Lab listet der Bericht weitere Schwachstellen auf:
- Gefangenentransporte in NRW laufen chaotisch. Die Planung ist analog, zentrale Daten fehlen. Teilweise müssen Insassen zurückbleiben, weil die Busse voll sind.
- Ein neues Forschungsinstitut wurde zwischen 2017 und 2022 mit 12 Millionen Euro gefördert – ohne klare Erfolgskriterien, ohne Wirtschaftlichkeitsprüfung.
- Beim Clusterprojekt „It’s OWL“ flossen 43,4 Millionen Euro, ohne dass Bedarf oder Wirkung ausreichend belegt wurden.
- Corona-Impfzentren zahlten bundesweit die höchsten Arzthonorare – ohne erkennbare Kalkulationsgrundlage.
Politisches Haushalten am Rand der Seriösität
Der Jahresbericht des Landesrechnungshofs ist eine nüchterne, aber deutliche Mahnung: Wer Milliarden verteilt, sollte auch erklären, wofür – und warum. Die Beispiele aus Polizei, Justiz, Forschung und Gesundheitswesen zeigen ein Muster: Es fehlt an Kontrolle, Planung und Maß.
Die Kritik trifft nicht nur einzelne Ministerien – sondern die Haushaltskultur eines ganzen Landes. Und das in Zeiten, in denen Zinsen steigen, Einnahmen sinken und Schulden wieder salonfähig gemacht werden.
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