Die Entscheidung fiel in einer langen Brüsseler Nacht, ihre Folgen werden bleiben. Mit dem neuen Ukraine-Kredit über 90 Milliarden Euro bindet sich die Europäische Union finanziell auf Jahre – womöglich Jahrzehnte. Was offiziell als zinsloses Darlehen konstruiert ist, entpuppt sich für Länder wie Deutschland als dauerhafte Haushaltsbelastung.
Nach Berechnungen der Deutschen Presse-Agentur könnte allein auf die Bundesrepublik langfristig ein zusätzlicher Finanzierungsbeitrag von rund 700 Millionen Euro pro Jahr zukommen. Eine Zahl, die politisch bislang kaum offen diskutiert wird.
Der Kredit ist zinslos für die Ukraine, aber nicht kostenlos für Europa
Formal leiht die EU der Ukraine Geld. Zinslos, mit dem Versprechen, dass die Rückzahlung erst erfolgt, wenn Russland eines Tages Reparationszahlungen leistet. Bleiben diese aus, soll die Finanzierung über den EU-Haushalt abgesichert werden.

Genau hier liegt der Kern des Problems. Die EU nimmt das Geld am Kapitalmarkt auf. Die Zinsen dafür zahlen nicht abstrakte Institutionen, sondern die Mitgliedstaaten – entsprechend ihrer Wirtschaftskraft. Deutschland trägt als größter Nettozahler den größten Anteil.
EU-intern rechnet man laut einer ranghohen Beamtin mit rund drei Milliarden Euro Zins- und Finanzierungskosten pro Jahr für die beteiligten Staaten. Auf unabsehbare Zeit.
Deutschlands Anteil wächst, weil andere sich entziehen
Die Last verteilt sich nicht gleichmäßig. Ungarn, Tschechien und die Slowakei haben durchgesetzt, sich an der Finanzierung des neuen Unterstützungspakets nicht beteiligen zu müssen. Der verbleibende Kreis der Staaten trägt damit höhere Einzelanteile.
Für Deutschland bedeutet das: Der nationale Beitrag steigt überproportional. Je länger der Kredit läuft und je länger Russland keine Entschädigung zahlt, desto länger fließen Haushaltsmittel nach Brüssel, ohne dass eine Rückzahlung absehbar wäre.
Politisch wird das als europäische Solidarität verkauft. Fiskalisch ist es eine klassische Umverteilung – von großen zu kleineren Staaten, von heute zu morgen.
Die Konstruktion verschiebt Risiken in die Zukunft
Der politische Reiz des Modells liegt darin, dass es kurzfristig kaum sichtbar ist. Keine direkte Haushaltsabstimmung, keine nationale Kreditaufnahme, kein sofortiger Ausgabenposten im Bundeshaushalt.
Stattdessen läuft die Finanzierung über den EU-Haushalt – und damit über Garantien, die erst mit zeitlicher Verzögerung zu echten Kosten werden. Dieses Prinzip kennt man bereits aus dem Corona-Wiederaufbaufonds. Auch dort wurden Schulden vergemeinschaftet, deren Rückzahlung Jahre später beginnt.
Beim Ukraine-Kredit ist die Unsicherheit größer. Denn anders als bei konjunkturellen Programmen hängt die Rückzahlung von einem geopolitischen Ereignis ab, das niemand seriös terminieren kann: russische Reparationszahlungen.

Politisch alternativlos, fiskalisch heikel
Für die Bundesregierung ist der Spielraum begrenzt. Ein Nein zum Ukraine-Kredit hätte Deutschland außenpolitisch isoliert. Gleichzeitig passt das Paket schlecht in eine Haushaltslage, die ohnehin unter Druck steht: Schuldenbremse, steigende Verteidigungsausgaben, demografische Belastungen.
700 Millionen Euro pro Jahr wirken im Bundeshaushalt beherrschbar. Doch sie kommen nicht allein. Sie addieren sich zu bestehenden Ukraine-Hilfen, zu EU-Beiträgen und zu künftigen Gemeinschaftsprojekten, die zunehmend über gemeinsame Schulden finanziert werden.
Was heute als Sonderfall gilt, droht zur Regel zu werden.
Der Präzedenzfall ist geschaffen
Mit dem neuen Kreditpaket etabliert die EU ein weiteres Mal ein Modell, bei dem politische Dringlichkeit finanzielle Langfristfolgen überdeckt. Gemeinsame Schulden, abgesichert über den EU-Haushalt, mit unklarer Rückzahlungslogik.
Für Investoren ist das kein Randthema. Die Bonität der EU hängt zunehmend von politischen Zusagen ab, nicht von klaren Cashflows. Für nationale Haushalte bedeutet es, dass Verpflichtungen entstehen, die sich parlamentarischer Kontrolle teilweise entziehen.
Deutschland trägt diese Entwicklung – aus politischer Verantwortung, aber auch aus ökonomischer Stärke. Beides hat seinen Preis.
Die Rechnung kommt leise, aber zuverlässig
Der Ukraine-Kredit wird nicht mit einem Schlag fällig. Er belastet den Haushalt nicht spektakulär, sondern schrittweise. Jahr für Jahr. Haushaltsperiode für Haushaltsperiode.
Gerade darin liegt seine politische Brisanz. Denn was nicht wehtut, wird selten infrage gestellt. Und was auf EU-Ebene beschlossen wird, verschwindet leicht aus der nationalen Debatte.
Für Deutschland ist das Paket ein weiteres Beispiel dafür, wie europäische Solidarität zunehmend über dauerhafte finanzielle Verpflichtungen organisiert wird. Die Milliarden fließen nicht heute – aber sie fließen. Und sie fließen lange.



