Netflix verschiebt die Koordinaten der globalen Medienbranche. Mit einem Übernahmeangebot von 82,7 Milliarden US-Dollar für Warner Bros. Discovery macht der Streamingkonzern deutlich, dass organisches Wachstum allein nicht mehr ausreicht, um die nächste Phase der Plattformökonomie zu dominieren. Parallel wächst das Werbegeschäft schneller als viele Wettbewerber es für möglich gehalten hätten. An der Börse wird daraus eine klare Wette auf weiteres Kurspotenzial.
Der Aktienkurs schloss zuletzt bei 94,47 US-Dollar, die Marktkapitalisierung liegt bei rund 400 Milliarden US-Dollar. Die Bewertung ist ambitioniert, aber sie wird von einer Strategie getragen, die auf Skalierung, Inhaltehoheit und neue Erlösquellen setzt.
Das Übernahmeangebot zielt auf Inhalte und Marktmacht
Im Zentrum steht das bestätigte Angebot von Netflix für Warner Bros. Discovery. Mit der Übernahme würde Netflix Zugriff auf ein außergewöhnlich breites Inhalteportfolio erhalten, darunter das DC-Comics-Universum und große Teile der HBO-Programmbibliothek. Für einen Streamingmarkt, in dem Differenzierung fast ausschließlich über Inhalte läuft, wäre das ein strategischer Quantensprung.
Zur Finanzierung hat Netflix Kreditzusagen über 25 Milliarden US-Dollar gesichert. Der Rest soll aus liquiden Mitteln und künftigen Cashflows gestemmt werden. Damit geht der Konzern bewusst ein höheres finanzielles Risiko ein, setzt aber auf langfristige Kontrolle über Premium-Inhalte statt teurer Lizenzverlängerungen.
Konkurrenzgebot erhöht den strategischen Druck
Die Transaktion ist jedoch alles andere als sicher. Paramount Skydance hat ein feindliches Gegenangebot von rund 108,4 Milliarden US-Dollar vorgelegt. Auch wenn der Verwaltungsrat von Warner Bros. Discovery zunächst das Netflix-Angebot bevorzugt haben soll, zwingt der höhere Preis des Konkurrenten Netflix zu einer klaren Abwägung zwischen strategischem Wert und finanzieller Disziplin.
Der Markt beobachtet diese Phase genau. Ein überzogener Bieterwettstreit könnte die Investmentstory belasten, ein Rückzug hingegen würde Fragen zur langfristigen Content-Strategie aufwerfen. Für Netflix wird 2026 damit auch zu einem Jahr der Kapitalallokation.

Der Inhalte-Katalog wird bereits neu justiert
Unabhängig vom Ausgang der Übernahme passt Netflix sein Angebot an. Die achtteilige Harry-Potter-Filmreihe verschwindet zum 1. Januar 2026 aus dem britischen Katalog. Diese Entscheidung ist kein isolierter Lizenzschritt, sondern Teil einer größeren Neuausrichtung. Netflix bereitet sich sichtbar darauf vor, eigene Inhalte und potenzielle WBD-Formate stärker zu priorisieren.
Das signalisiert auch intern, dass Inhalte künftig noch stärker entlang strategischer Eigentumsfragen organisiert werden.
Das Werbe-Abo wird zum zweiten Wachstumsmotor
Während die Übernahme Schlagzeilen macht, läuft im Hintergrund das operative Geschäft stabil weiter. Im dritten Quartal 2025 stieg der Umsatz im Jahresvergleich um 17 Prozent auf 11,5 Milliarden US-Dollar. Ein wesentlicher Treiber ist das werbefinanzierte Abo-Modell.
Dieses Segment zählt inzwischen rund 190 Millionen monatlich aktive Nutzer. Für 2025 rechnet Netflix damit, den Umsatzbeitrag aus Werbung zu verdoppeln. In den USA entfielen im dritten Quartal bereits 8,6 Prozent der gesamten TV-Sehzeit auf Netflix, in Großbritannien waren es 9,4 Prozent. Das ist nicht nur ein Reichweitenwert, sondern eine harte Währung für Werbekunden.
Bewertung bleibt hoch, aber nicht isoliert
Nach dem 10:1-Aktiensplit im November 2025 ist die Aktie optisch günstiger, fundamental aber unverändert ambitioniert bewertet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt bei rund 39,5. Diese Prämie reflektiert weniger kurzfristige Gewinne als die Erwartung, dass Netflix seine Plattform weiter monetarisieren kann.
Analysten teilen diese Sicht überwiegend. Das durchschnittliche Zwölf-Monats-Kursziel liegt bei etwa 133 US-Dollar. Vom aktuellen Niveau aus entspricht das einem rechnerischen Aufwärtspotenzial von rund 40 Prozent. Die Spanne der Schätzungen bleibt breit, von etwa 72 bis 152,50 US-Dollar, was die Unsicherheit über Übernahmeausgang und Wettbewerbsdynamik widerspiegelt.
2026 wird zum Prüfstein der Strategie
Entscheidend dürften die nächsten Quartalszahlen werden. Am 20. Januar 2026 will Netflix neue Ergebnisse vorlegen und detaillierter über die Entwicklung des Werbe-Tiers sowie den Stand der Warner-Bros.-Discovery-Transaktion informieren.
Netflix geht mit hohem Tempo vor, kombiniert operative Stärke mit strategischer Offensive und akzeptiert dabei bewusst höhere Risiken. Ob daraus ein neuer Mediengigant mit beispielloser Inhalte- und Werbemacht entsteht, entscheidet sich nicht in einem Quartal. Aber die Richtung ist klar: Netflix spielt nicht mehr nur im Streamingmarkt, sondern um die Architektur der gesamten Branche.


