Ein Präsident gegen die Regierung
Der erste Eindruck nach der Stichwahl ist der einer tief gespaltenen Nation. Karol Nawrocki, ein Mann ohne nennenswerte politische Erfahrung, zieht in den Präsidentenpalast ein – unterstützt von der rechtskonservativen PiS und gefeiert von US-Präsident Donald Trump.
Doch sein Triumph ist keine stabile Machtübernahme, sondern die Ankündigung eines Machtkampfes. Denn Regierungschef Donald Tusk bleibt im Amt – mit einer reformwilligen, pro-europäischen Mehrheit im Parlament.
Nawrocki hingegen kann blockieren, aber nicht gestalten. Ein gefährliches Gleichgewicht.
Stillstand mit Ansage
Nawrocki hat bereits angekündigt, sämtliche Initiativen der Regierung zu torpedieren. Sein Veto gegen Gesetzesvorhaben kann nur mit einer 60-Prozent-Mehrheit im Parlament überstimmt werden – ein Wert, den Tusks Koalition nicht annähernd erreicht.
Das bedeutet: Der neue Präsident wird die politische Arbeit weitgehend lähmen können. Und genau das ist offenbar das Ziel: Destabilisierung statt Dialog. Die Märkte reagierten umgehend. Der WIG20-Index fiel um 2,64 Prozent, Investoren zeigen sich alarmiert.

Populismus auf Pump
Im Wahlkampf versprach Nawrocki ein wirtschaftliches Wunder – finanziert mit leeren Händen. Steuererleichterungen für Familien, Abschaffung der Kapitalertragssteuer, Senkung der Mehrwertsteuer: Laut Finanzexperten würden seine Vorhaben das Staatsbudget um mindestens 50 Milliarden Zloty belasten.
Schon jetzt liegt das Haushaltsdefizit bei über 6 Prozent des BIP. Wirtschaftlich ist Nawrockis Agenda ein Hochrisiko-Experiment – mit möglichen Nebenwirkungen für die gesamte Region.
Der Trump-Schüler aus Warschau
Nawrockis Politikstil folgt dem bekannten US-Muster: Polarisierung, Faktenverdrängung, Feindbilder. Seine Nähe zu Donald Trump ist kein Zufall, sondern Strategie. Fotos mit dem US-Präsidenten wurden im Wahlkampf stolz präsentiert – auch wenn das Treffen kaum zehn Minuten dauerte.
Seine Bewunderung für rechtspopulistische Kräfte in Europa ist ebenso offen: Kontakte zu Giorgia Meloni in Rom und Marine Le Pen in Paris sollen gestärkt werden. Für Brüssel ist das eine schlechte Nachricht.
Zwischen Blockade und Bruch
Donald Tusk versucht, mit einem Vertrauensvotum am 11. Juni seine Regierungsmehrheit zu festigen. Doch klar ist: Die nächsten Monate werden von innenpolitischem Dauerstreit geprägt sein.
Reformen im Energiesektor, der Justiz oder Verteidigung könnten komplett zum Erliegen kommen. Das ist nicht nur ein Rückschritt für Polen, sondern auch ein sicherheitspolitisches Problem für Europa – gerade angesichts der Rolle Polens als Frontstaat zur Ukraine.
Eine gespaltene Republik
Der Wahlsieg Nawrockis ist weniger Ergebnis rationaler Abwägung als Ausdruck einer kulturellen Zerreißprobe. Die Polarisierung der Gesellschaft ist fortgeschritten, mediale Skandale oder rechtsextreme Aussagen des Präsidenten spielten im Wahlkampf keine Rolle.
Die Mehrheit der Wähler entschied sich nicht für Nawrockis Inhalte, sondern gegen das Establishment. Genau das macht die Lage so explosiv – und schwer kalkulierbar.
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