OpenAI sucht Geld – viel Geld. Und offenbar klopft das KI-Unternehmen nun bei Amazon an. Nach übereinstimmenden Medienberichten verhandeln beide Seiten über eine Finanzierung von mindestens 10 Milliarden US-Dollar. Kommt der Deal zustande, wäre es einer der größten Einzelinvestments in der Geschichte der Technologiebranche. Die Börse reagiert bislang gelassen. Strategisch aber hätte die Transaktion erhebliche Sprengkraft.
Denn es geht nicht nur um Kapital, sondern um Kontrolle über Rechenleistung, Chips und die nächste Phase des KI-Wettlaufs.

OpenAI steht unter massivem Finanzierungsdruck
Der Kapitalbedarf von OpenAI wächst schneller als die Umsätze. Der Betrieb großer Sprachmodelle verschlingt enorme Rechenressourcen, die Kosten steigen exponentiell mit jeder neuen Modellgeneration. Laut mit den Gesprächen vertrauten Personen benötigt OpenAI frisches Kapital vor allem zur Finanzierung dieser Infrastruktur.
Seit der Umstrukturierung im Oktober hat OpenAI deutlich mehr Freiheiten bei der Kapitalaufnahme. Die Abhängigkeit von Microsoft wurde gelockert, Exklusivitäten bei der Rechenleistung gelten nicht mehr. Damit öffnet sich das Unternehmen erstmals ernsthaft für weitere Großinvestoren.
Amazon rückt dabei als logischer Kandidat in den Fokus. Kapitalstark, cloudgetrieben, strategisch unter Zugzwang.
Eine Bewertung jenseits der halben Billion Dollar
Sollte Amazon tatsächlich mit mehr als 10 Milliarden Dollar einsteigen, würde OpenAI laut Berichten mit über 500 Milliarden US-Dollar bewertet. Das wäre eine Dimension, die OpenAI endgültig in eine Liga mit den wertvollsten Tech-Konzernen der Welt hebt – ohne börsennotiert zu sein.
Noch ist nichts final. Details zur Struktur, zu Mitspracherechten oder zur Bewertung wurden nicht bestätigt. Doch allein die Größenordnung zeigt, wie hoch die Erwartungen an OpenAI weiterhin sind – und wie teuer die Wette auf Künstliche Intelligenz geworden ist.
Amazon sucht den KI-Hebel für AWS
Für Amazon geht es nicht um eine klassische Finanzrendite. Der Konzern sucht nach einem Hebel, um seine dominante Cloud-Sparte AWS auch im KI-Zeitalter abzusichern. Zwar ist AWS der weltweit größte Anbieter von Rechenleistung, doch bei KI-Start-ups und -Entwicklern spielt die Plattform bislang nicht die gleiche Schlüsselrolle wie bei klassischen Cloud-Anwendungen.
Ein Einstieg bei OpenAI könnte genau das ändern. Bloomberg zufolge ist Teil der Gespräche, dass OpenAI künftig Amazons eigene Trainium-Chips nutzt. Diese sind ein zentraler Baustein in Amazons Halbleiterstrategie und sollen die Abhängigkeit von Nvidia reduzieren.

Gelingt es Amazon, OpenAI an AWS und Trainium zu binden, wäre das ein strategischer Durchbruch – technologisch wie kommerziell.
Microsoft verliert seine Sonderstellung
Die Gespräche markieren zugleich eine Verschiebung im Machtgefüge rund um OpenAI. Microsoft hat seit 2019 mehr als 13 Milliarden Dollar investiert und OpenAI eng an Azure gebunden. Doch diese Exklusivität bröckelt.
Seit der Neuordnung der Partnerschaft besitzt Microsoft kein alleiniges Recht mehr auf die Rechenleistung von OpenAI. Genau das macht Gespräche mit Amazon überhaupt erst möglich. OpenAI diversifiziert seine Abhängigkeiten – aus strategischer Notwendigkeit.
Für Microsoft ist das ein Warnsignal. Der wichtigste KI-Partner öffnet sich dem Wettbewerb.
Der KI-Wettlauf eskaliert weiter
Amazon ist nicht der einzige Konzern mit Milliardenengagements. Der Tech-Riese hält bereits Anteile von mindestens 8 Milliarden Dollar am OpenAI-Konkurrenten Anthropic. Microsoft und Nvidia sind dort ebenfalls investiert. Parallel sichert sich OpenAI Infrastrukturzusagen im Wert von rund 1,4 Billionen Dollar, unter anderem mit Nvidia, AMD und Broadcom.
Hinzu kommt ein bereits vereinbarter 38-Milliarden-Dollar-Vertrag mit AWS über Cloud-Infrastruktur. Die Grenzen zwischen Kunde, Partner und Investor verschwimmen zunehmend. Kapital, Chips und Rechenleistung werden zur strategischen Währung.
Die Börse bleibt erstaunlich ruhig
Trotz der Dimensionen reagierte die Amazon-Aktie unaufgeregt. Nachbörslich gab das Papier um 0,21 Prozent auf 222,10 US-Dollar nach. Das deutet darauf hin, dass der Markt den möglichen Deal entweder bereits eingepreist hat – oder noch skeptisch ist, ob er tatsächlich zustande kommt.
Für Amazon wäre ein Investment dieser Größenordnung kein Risiko für die Bilanz, wohl aber ein klares Bekenntnis zur Eskalation im KI-Wettlauf. Für OpenAI könnte es der entscheidende Schritt sein, um die nächste Modellgeneration überhaupt finanzieren zu können.
Ein Deal mit weitreichenden Folgen
Noch ist offen, ob aus den Gesprächen ein Abschluss wird. Doch schon jetzt zeigt sich: Die Phase kleiner strategischer Beteiligungen ist vorbei. KI wird mit Summen finanziert, die früher nur Staaten oder Ölkonzerne bewegten.
Sollte Amazon einsteigen, wäre das mehr als ein weiterer Mega-Deal. Es wäre ein Signal, dass der Kampf um die Kontrolle über Künstliche Intelligenz endgültig in eine neue, kapitalintensive Phase eintritt – mit OpenAI im Zentrum und den Tech-Giganten als Rivalen und Geldgeber zugleich.



