Der Steiff-Bär vor dem Eingang ist groß, die Christbäume im Verkaufsraum zahlreich, die Schaufenster üppig dekoriert. Trotzdem herrscht bei Galeria keine Festtagsstimmung. Ausgerechnet im wichtigsten Quartal des Jahres rutschen Umsatz und Ertrag ab. Intern wird wieder über Liquidität gesprochen. Und über die Frage, die im Konzern niemand mehr hören wollte: Wie stabil ist Galeria wirklich?
Nach der Insolvenz kam der Optimismus zu früh
Seit dem Sommer 2024 gehört die Warenhauskette neuen Eigentümern. Der US-Investor Richard Baker und der deutsche Unternehmer Bernd Beetz hatten Galeria aus der Insolvenz übernommen. Kurz darauf meldete das Management einen operativen Gewinn, erstmals seit über einem Jahrzehnt. Alle Filialen schrieben schwarze Zahlen, hieß es. Galeria funktioniere wieder aus eigener Kraft.

Diese Erzählung hält dem Weihnachtsgeschäft nicht stand. Interne Zahlen zeigen: Seit Beginn des Geschäftsjahres im Oktober liegt der Umsatz fast neun Prozent unter Vorjahr. In der Adventszeit beschleunigt sich der Rückgang. An einzelnen Tagen fehlen bis zu 14 Prozent gegenüber dem Vergleichswert. Selbst Top-Standorte wie München bleiben unter Plan – trotz massiver Rabattaktionen.
Rabatte verlieren ihre Wirkung
„Wenn der Umsatz nicht lief, haben wir früher Rabatte gemacht – dann kam das Geschäft zurück“, sagt ein langjähriger Mitarbeiter. „Heute hilft nicht einmal das.“
Galeria wirbt mit Preisnachlässen von bis zu 50 Prozent. Doch die Frequenz bleibt schwach, die Warenkörbe klein. Das Problem liegt tiefer: Weniger Kunden kommen in die Innenstädte, und wer kommt, gibt weniger aus. Das spürt Galeria besonders stark, weil das Warenhausmodell auf Volumen angewiesen ist.
Die Geschäftsführung verweist auf äußere Faktoren: Baustellen, Verkehrssperren, mangelnde Sicherheit in Innenstädten. Miteigentümer Beetz attackiert asiatische Onlineplattformen und die deutsche Bürokratie. Doch intern ist klar: Die Ursachen liegen nicht nur draußen.

Die Liquidität rückt wieder in den Fokus
Besonders sensibel ist die Kassenlage. Handelsunternehmen müssen im Weihnachtsgeschäft genug Geld verdienen, um die schwachen Monate zu überstehen. Ursprünglich plante Galeria mit rund 175 Millionen Euro freier Liquidität zum Jahresende. Später wurde das Ziel auf 110 Millionen Euro gesenkt.
Ob selbst diese Marke erreicht wird, ist offen. Insider berichten von Phasen, in denen Galeria gefährlich nah an die vertraglich vereinbarte Untergrenze von 60 Millionen Euro herangekommen sei. Das Management bestätigt, dass die Liquidität zeitweise eng war, spricht aber von einem kontrollierten Zustand. Die Lage sei angespannt, aber beherrschbar.
Solche Sätze wecken Erinnerungen. Genau so klangen frühere Krisen bei Galeria – kurz bevor es ernst wurde.
Interne Warnsignale häufen sich
Auf einer Betriebsrätekonferenz im Oktober sammelte das Management Rückmeldungen aus den Filialen. Das Ergebnis soll eindeutig gewesen sein: mehr rote als grüne Zettel. Ein zentrales Problem: fehlende Ware.
Mitarbeiter berichten von Sortimentslücken, von beworbenen Artikeln, die nicht verfügbar sind, von falscher Mengensteuerung. Kunden, die gezielt wegen eines Angebots kommen und enttäuscht wieder gehen, kommen oft kein zweites Mal zurück.
Die Ursache liegt teilweise im Einkauf. Nach einer aggressiven Abverkaufsaktion im Sommer waren die Lager leerer als geplant. Das Nachbestellen dauerte zu lange. Die Führung spricht von Übergangsproblemen, von Lernkurven, von besserer Steuerung mithilfe von Daten und KI. Doch im Weihnachtsgeschäft ist Timing keine Theoriefrage.
Neue Ideen treffen auf alte Realität
Galeria setzt auf Partnerschaften, um Frequenz zu schaffen. Sporthändler, Discounter, Mobilfunkservices, Fanwelten regionaler Fußballvereine – vieles wird ausprobiert. Nicht alles überzeugt.
Der Ankauf gebrauchter Smartphones etwa blieb hinter den Erwartungen zurück. Auch andere Konzepte benötigen Zeit, die Galeria womöglich nicht hat. Jeder neue Baustein kostet zunächst Geld, Fläche und Aufmerksamkeit, bevor er trägt.
Die zentrale Hoffnung: dass sich aus vielen kleinen Anziehungspunkten wieder ein Grund ergibt, das Warenhaus gezielt anzusteuern. Das ist mutig – aber riskant.
Das Modell bleibt unter strukturellem Druck
Galeria ist heute schlanker als früher. Die Zentrale ist halbiert, Mieten wurden neu verhandelt, Prozesse vereinfacht. Einsparungen von über 100 Millionen Euro pro Jahr sind real. Doch die Grundfrage bleibt unbeantwortet: Reicht das, um dauerhaft gegen Onlinehandel, Konsumflaute und verändertes Einkaufsverhalten zu bestehen?
Das Weihnachtsgeschäft zeigt, wie dünn der Puffer ist. Ein schlechter Monat genügt, um alte Sorgen zurückzubringen. Drei Insolvenzen haben das Vertrauen von Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern erschüttert. Jede neue Schwächephase wiegt schwerer als bei anderen Händlern.
2026 wird zur Wegmarke
Noch ist nichts entschieden. Galeria ist nicht zahlungsunfähig, die Filialen sind geöffnet, die Eigentümer stehen zum Unternehmen. Aber der Spielraum ist kleiner, als es die Erfolgsmeldungen des Sommers vermuten ließen.
Wenn sich das Warenhausmodell noch einmal beweisen soll, dann jetzt. Nicht mit Durchhalteparolen, sondern mit stabilen Umsätzen, verlässlicher Warenverfügbarkeit und ausreichender Liquidität. Andernfalls droht Galeria erneut in den Krisenmodus zu rutschen – und diesmal könnte es enger werden als je zuvor.



