Mehr als 10.000 Brände jedes Jahr allein in deutschen Recyclinganlagen. Ursache in vier von fünf Fällen: Akkus. Ob in E-Zigaretten, Kinderspielzeug oder Grußkarten mit Soundmodul – Lithium-Ionen-Batterien landen regelmäßig im Hausmüll und geraten beim Transport oder in den Sortieranlagen unter Druck.
Die Folge: Kurzschluss, Funken, Flammen. Die Schadenssumme beläuft sich laut Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) jährlich auf rund eine Milliarde Euro. Weltweit ist es ein Vielfaches.
Ein Röntgenblick in die Tonne
Ein Konsortium mehrerer Fraunhofer-Institute will das ändern. Projektname: DangerSort. Die Forscher setzen auf eine Kombination aus Röntgentechnik, künstlicher Intelligenz und Druckluft.
Der Abfall wird mit Röntgensensoren gescannt, während er mit rund zehn Kilometern pro Stunde über das Fließband läuft. Die KI erkennt im Bildmaterial verborgene Batterien, selbst dann, wenn sie in Spielzeug, Textilien oder Kartonagen stecken.
Wird ein kritischer Fund identifiziert, schaltet sich in Sekundenbruchteilen ein Druckluftsystem ein, das die betroffenen Teile seitlich aus dem Sortierstrom schleudert. Getrenntes Sammeln, bevor der Müll zum Pulverfass wird.
Vorbeugen statt Löschen
„Wir wollen nicht erst eingreifen, wenn es brennt, sondern verhindern, dass es brennt“, sagt Projektleiter Johannes Leisner vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS.

Bisher beschränken sich viele Anlagen auf Nachrüstungen von Löschsystemen, was zwar Brände eindämmen kann, aber nicht die Ursache beseitigt. DangerSort will das ändern.
Gleichzeitig könnte das System helfen, wertvolle Materialien wie Kobalt, Nickel und Lithium effizienter zurückzugewinnen – ein Nebeneffekt mit strategischem Gewicht.
Vom Testlauf in den Alltag
Noch befindet sich das System im Pilotbetrieb. Ab Juni soll es erstmals im Alltag eines Entsorgungsunternehmens eingesetzt werden.
Das Ziel: einen vollautomatischen, kontinuierlichen Schutzprozess schaffen, der die Industrie auf breiter Front sicherer macht. Wenn das System sich bewährt, könnte es Standard in deutschen Sortieranlagen werden – und das Gefahrenpotenzial durch unerkannte Akkus drastisch senken.
Ein unterschätztes Risiko
Dass alte Akkus im Hausmüll nichts zu suchen haben, wissen die wenigsten. Obwohl es eine flächendeckende Rückgabepflicht gibt, landen Schätzungen zufolge jährlich mehrere hundert Millionen Batterien im Rest- oder Verpackungsmüll. Die Aufklärung lässt zu wünschen übrig.
Viele Verbraucher erkennen die Gefahr nicht. Auch deshalb kommt der Technik eine entscheidende Rolle zu: Sie soll retten, was das Bildungssystem bislang versäumt.
Innovation mit Sprengkraft
DangerSort ist mehr als ein cleveres Projekt. Es ist ein potenzieller Gamechanger für eine Branche, die unter hohem Druck steht. Denn Recycling wird nicht nur aus Klimagründen relevanter, sondern auch aus geopolitischer Sicht.
Wer Lithium & Co. im eigenen Land sichern kann, macht sich unabhängiger von China. Und wer Brände verhindert, spart nicht nur Geld – sondern rettet Leben.
Wie weiter?
Wenn sich das System bewährt, könnte die nächste Generation von Sortieranlagen nicht nur intelligenter, sondern auch sicherer und wirtschaftlicher sein. Die große Frage bleibt: Wie schnell gelingt die Skalierung? Denn eines steht fest: Die Zahl der Akkus im Müll wird nicht weniger. Im Gegenteil.