Die Reform, die keine ist
„Kommission zur Reform des Sozialstaats“ – der Name klingt nach großen Würfen, nach mutigen Einschnitten. Doch wer genauer hinsieht, erkennt: Es geht weder um eine Neuausrichtung des Systems noch um echte Sparmaßnahmen.
Arbeitsministerin Bärbel Bas will Leistungen besser koordinieren, Verfahren digitalisieren, Bürokratie abbauen. Sinnvoll, aber weit entfernt von dem, was nötig wäre, um die Finanzlöcher im Sozialstaat zu schließen.
Bürgergeld als Kostentreiber
Ein Blick auf die Zahlen zeigt, wo das Problem liegt: Allein das Bürgergeld kostete 2024 rund 46,9 Milliarden Euro – so viel wie nie zuvor. Politisch gibt es kaum Spielraum, diese Summen einzudämmen. Strengere Sanktionen?
Verfassungsrechtlich kaum durchsetzbar. Hubertus Heils Versuch, die Leistungen bei wiederholter Arbeitsverweigerung komplett zu streichen, entpuppte sich als Papiertiger – kein einziger Fall wurde je umgesetzt.

Ökonomen wie Enzo Weber fordern einen Mittelweg: weniger leere Drohungen, dafür längere und spürbare Kürzungen bei fehlender Mitwirkung. Alles andere sende falsche Anreize.
200 Leistungen – ein Labyrinth
Noch gravierender ist das Dickicht aus mehr als 200 Sozialleistungen. Wer nebenher arbeitet, verliert oft durch Anrechnungen fast jeden zusätzlichen Euro. Für hunderttausende Aufstocker lohnt sich Mehrarbeit schlicht nicht.
Das Ifo-Institut errechnete: Allein durch eine Reform dieser sogenannten Transferentzugsraten könnten 145.000 Vollzeitstellen zusätzlich entstehen.

Genau hier soll die neue Sozialstaatskommission ansetzen. Doch auch sie hat nicht den Auftrag, Ausgaben zu kürzen – sondern nur, das System „gerechter“ zu machen.
Wohnkosten als politisches Minenfeld
Die Debatte um die Mieten im Bürgergeld droht zur nächsten Zerreißprobe zu werden. Die Union will Pauschalen einführen.
SPD und Teile der Koalition lehnen das strikt ab: In Großstädten wie München oder Hamburg könnten Empfänger mit Pauschalen keine Wohnung mehr finden. Schon heute zahlen 334.000 Bürgergeld-Haushalte monatlich im Schnitt 116 Euro aus eigener Tasche, weil die Mieten über der Norm liegen.
Die Bundesagentur – vom Helfer zum Problemfall
Mitten in dieser Debatte kippt die Bilanz der Bundesagentur für Arbeit. Eigentlich soll sie Menschen in Jobs bringen und damit Kosten senken. Doch inzwischen reißt die Behörde selbst Milliardenlöcher. Das erwartete Defizit für 2025 liegt bei mehr als 5 Milliarden Euro – viermal so hoch wie ursprünglich angenommen.
Tariferhöhungen, steigende Mieten und wachsende Ausgaben für das Bürgergeld belasten die Kasse. Die Folge: Der Bund muss einspringen. Ein Darlehen von 2,35 Milliarden Euro ist bereits genehmigt. Offiziell verspricht die BA-Führung, eine Beitragserhöhung sei „nicht geplant“. Doch in Fachkreisen hält das kaum jemand für glaubwürdig.
Der Sozialstaat am Kipppunkt
Die Schieflage der Arbeitsagentur ist kein Einzelfall, sondern Symptom eines Systems, das an seine Grenzen stößt. Ohne unbequeme Entscheidungen – längeres Arbeiten, strengere Regeln oder höhere Abgaben – wird der Sozialstaat nicht stabilisiert.
Die Bundesagentur für Arbeit zeigt, wohin die Reise geht: von der Vermittlungsbehörde zum Kostentreiber. Ein Warnsignal, das niemand überhören sollte.
Das könnte Sie auch interessieren:
