Wild-West-Beschaffung mit Milliardenrisiko
Ohne Vorwarnung geht Jens Spahn in die Offensive. In der ARD verteidigt der CDU-Fraktionschef erstmals sein Vorgehen während der Pandemie. Die damaligen Beschaffungsstrukturen seien schlicht überfordert gewesen.
Also habe er, so Spahn, selbst gehandelt. Was nüchtern klingt, entpuppt sich beim Blick in die Akten jedoch als ein hochriskantes Alleingang-Manöver, das dem Steuerzahler am Ende Milliarden kostete.
Statt der ursprünglich empfohlenen Preise zwischen 2,50 und 2,90 Euro pro FFP2-Maske orderte Spahn Masken zu 4,50 Euro. Mit Mehrwertsteuer zahlte der Bund am Ende 5,36 Euro pro Stück – ein Vielfaches der Marktpreise. Am Ende wurden große Teile der Lieferung verbrannt: entweder mangelhaft oder nie gebraucht.
Sonderermittlerin belastet Spahn schwer
Der bislang nur teilweise veröffentlichte 170-seitige Bericht der Sonderermittlerin Margaretha Sudhoff zeichnet ein verheerendes Bild: fehlendes ökonomisches Verständnis, politischer Ehrgeiz und eine Beschaffungspolitik, die mehr an ein „Team Ich“ erinnere als an eine koordinierte Staatsaktion. Der Begriff „strukturelles Versagen“ zieht sich durch die Untersuchung.

Brisant: Laut Berichten von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung seien die Risiken der überteuerten Deals dem Ministerium durchaus bekannt gewesen. Trotzdem hielt Spahn an den eigenmächtig verhandelten Preisen fest.
Direktauftrag für 1,5 Milliarden – Heimatbonus?
Besonders explosiv: Ein Logistikauftrag in Höhe von 1,5 Milliarden Euro ging direkt an eine Spedition aus Spahns Heimatregion im Münsterland – ohne Ausschreibung.
Interne Unterlagen zeigen: Das Innenministerium hatte größere und erfahrenere Anbieter vorgesehen. Doch Spahns Haus setzte sich durch. Die beauftragte Spedition war mit dem Megaauftrag überfordert und konnte die Lagerung nicht vollständig leisten.
Blockadehaltung im Gesundheitsministerium
Für zusätzlichen politischen Zündstoff sorgt die Weigerung der amtierenden Gesundheitsministerin Nina Warken (ebenfalls CDU), den vollständigen Bericht dem Bundestag vorzulegen.
Kritiker sprechen offen von einer Schutzaktion für den früheren Minister. Spahn selbst beteuert, den Bericht nicht zu kennen. Für ihn wäre es sogar „leichter, der Bericht wäre öffentlich“.
Taktik statt Transparenz
Anstatt die Vorwürfe substanziell zu entkräften, versucht Spahn nun, die Glaubwürdigkeit der Sonderermittlerin anzugreifen. Sudhoff sei schließlich einst Staatssekretärin unter der Ampel gewesen – ihre Ergebnisse daher angeblich politisch motiviert.
Ein Argument, das auf dünnem Eis steht: Die entscheidenden Fakten beruhen auf internen Ministeriumsunterlagen, Dokumenten und Aussagen, die unabhängig von der parteipolitischen Herkunft der Ermittlerin für sich sprechen.
Politisches Risiko für die Union
In der CDU wächst hinter vorgehaltener Hand die Nervosität. Während die Partei sich auf den Wahlkampf vorbereitet, droht die Maskenaffäre erneut an Fahrt aufzunehmen. Denn sollte der vollständige Bericht publik werden, könnten neue Details ans Licht kommen, die den Schaden für die Steuerzahler noch dramatischer erscheinen lassen.
Für Spahn selbst geht es längst um mehr als nur den eigenen Ruf. Die Affäre wird zunehmend zur Belastungsprobe für die Glaubwürdigkeit der Union insgesamt. Ob die Strategie des Aussitzens trägt, bleibt offen. Die Gefahr politischer Spätfolgen wächst – und das Thema dürfte die CDU noch länger begleiten, als es manchem in der Parteizentrale lieb ist.
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