Bayer und das teuerste Eigentor der DAX-Geschichte
Der Moment wirkte strategisch: Als Bayer 2016 für 63 Milliarden Dollar den US-Saatguthersteller Monsanto schluckte, war der Deal als Aufstieg zum globalen Agrarchemieriesen inszeniert.
Heute wirkt er wie eine Mahnung. Die Marktkapitalisierung von Bayer liegt inzwischen bei weniger als der Hälfte des damaligen Kaufpreises – juristische Risiken, Imageverlust und Synergieillusionen inklusive.
In keiner anderen Übernahme der deutschen Wirtschaftsgeschichte liegt der Graben zwischen Vision und Realität so offen zutage.
Infineon: Strategisch teuer – aber erfolgreich
Dass große Übernahmen auch funktionieren können, zeigt Infineon. Der 2020 abgeschlossene Kauf des US-Konzerns Cypress Semiconductor für neun Milliarden Euro war ambitioniert, aber zielgerichtet.

Der Deal machte Infineon zu einem der zehn größten Halbleiterhersteller weltweit. Mit einer heutigen Marktkapitalisierung von rund 45 Milliarden Euro zahlt sich die Investition in Chipkompetenz bislang aus – ein seltenes Beispiel für M&A, das hält, was es verspricht.
Linde: Fusion mit Praxair sichert den Thron
Anders als viele DAX-Konzerne verfolgte Linde bei der Fusion mit dem US-Konkurrenten Praxair 2018 einen klaren Kurs: nicht teurer, sondern größer.
Heute ist die Linde plc der mit Abstand wertvollste Industriegasekonzern der Welt – und hat den französischen Rivalen Air Liquide ein weiteres Mal auf Abstand gehalten.
Die damalige Fusion war nicht nur gut getaktet, sondern konsequent umgesetzt – und ein Beweis, dass M&A-Strategien bei industrieller Vernunft funktionieren können.
Covestro: Nachhaltigkeit zum arabischen Preis
Der Übernahmeprozess zwischen Covestro und der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) zeigt, wie geopolitisch aufgeladen M&A inzwischen ist. ADNOC bot über 16 Milliarden Euro – viel für einen Werkstoffkonzern in der Transformation.
Der Deal, der 2025 abgeschlossen werden soll, wird nicht nur die Konzernstruktur, sondern auch die Eigentümerlogik grundlegend verändern. Nachhaltigkeit trifft Staatskapital. Wie erfolgreich das Modell ist, wird sich erst nach Integration zeigen.
Deutsche Börse, Merck, Schaeffler – die stille Expansion
Nicht jeder Milliardenkauf schafft Schlagzeilen wie Bayer. Doch die Deutsche Börse mit SimCorp (4 Mrd. €), Merck mit Sigma-Aldrich (16 Mrd. $) oder Schaeffler mit Vitesco (3,8 Mrd. €) zeigen, dass viele DAX-Konzerne längst systematisch in Nischen wachsen.
Ob in Finanzsoftware, Laborausstattung oder E-Mobilität: Ziel ist nicht kurzfristige Größe, sondern langfristige Relevanz. Häufig mit mehr Erfolg als bei den lauteren Deals der Vergangenheit.
Der Preis der Größe – und der Irrtum des Goodwills
Immer wieder zahlen Konzerne bei Übernahmen nicht nur für das Jetzt, sondern für die Hoffnung auf ein Morgen. Der sogenannte Goodwill – der über dem bilanziellen Wert liegende Kaufpreis – ist dabei oft Ausdruck überzogener Erwartungen.
Wird das Synergieversprechen nicht eingelöst, bleibt ein Abschreibungsrisiko, das nicht nur den Kurs belastet, sondern das Vertrauen der Anleger. Bayer hat das schmerzhaft erfahren – andere werden folgen.
Macht durch Märkte – oder Milliardengrab?
Die Bilanz der vergangenen zehn Jahre zeigt: Große Übernahmen sind keine Garantie für wirtschaftlichen Aufstieg. Sie können Türen öffnen, neue Märkte erschließen, Effizienzen heben.
Oder sie können, wie im Fall Bayer, das Gegenteil bewirken: Vertrauensverlust, Dauerbaustellen, Wertvernichtung. Entscheidend ist nicht die Summe – sondern die Strategie dahinter. Und die Fähigkeit, nach dem Deal auch zu liefern.
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