16. Juni, 2025

Finanzen

Mieten fressen Einkommen – Wohnkostenkrise spitzt sich zu

Fast jeder siebte Mieter in Deutschland zahlt mehr als die Hälfte seines Nettoeinkommens für die Miete. Besonders prekär: Auch im europäischen Vergleich zählt Deutschland inzwischen zu den Hochbelastungsländern.

Mieten fressen Einkommen – Wohnkostenkrise spitzt sich zu
Jeder siebte Mieter in Deutschland zahlt inzwischen mehr als die Hälfte seines Einkommens für die Miete – ein gefährlicher Belastungsgrad, der früher nur als Ausnahme galt.

Kaum ein Thema trifft die Deutschen derzeit empfindlicher als die monatliche Mietabrechnung. Die Belastung der Haushalte durch steigende Wohnkosten erreicht neue Höchststände. Inzwischen geben 15 Prozent der Mieter hierzulande mehr als 50 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Miete aus.

Noch dramatischer: Drei Prozent der Mieterhaushalte zahlen sogar über 70 Prozent des Einkommens allein für das Wohnen. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Instituts YouGov für die Deutsche Presse-Agentur hervor.

Wohnkosten explodieren, Löhne hinken hinterher

Die oft zitierte 30-Prozent-Regel, wonach maximal ein Drittel des Einkommens für die Miete aufgewendet werden sollte, hat für einen wachsenden Teil der Bevölkerung längst keine Bedeutung mehr.

Besonders alarmierend: Weitere 17 Prozent der Befragten müssen zwischen 40 und 49 Prozent ihres Einkommens für Miete aufbringen. Damit lebt inzwischen nahezu jeder Dritte in Deutschland mit einer Mietbelastung deutlich oberhalb der wirtschaftlich als tragfähig geltenden Grenze.

Ein Blick auf die amtlichen Daten bestätigt das düstere Bild. Laut Statistischem Bundesamt lag die durchschnittliche Mietbelastungsquote zuletzt zwar noch bei vergleichsweise moderaten 28 Prozent.

Doch die regionalen Unterschiede sind erheblich: In Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und dem Saarland zahlen Haushalte inzwischen mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Bruttokaltmiete. Besonders in Großstädten mit angespanntem Wohnungsmarkt schießen die Belastungen seit Jahren nach oben.

Deutschland im europäischen Spitzenfeld der Mietüberlastung

Auch im internationalen Vergleich rutscht Deutschland immer weiter ins obere Drittel der Hochbelastungsländer. Die EU-Statistikbehörde Eurostat meldet für 2024 eine Wohnkostenüberlastungsquote von 12 Prozent – gemeint sind Haushalte, die mehr als 40 Prozent des Einkommens für Wohnen inklusive Nebenkosten ausgeben.

Nur Griechenland, Norwegen, die Türkei und Dänemark liegen noch höher. Deutschland ist längst kein Land mit „moderaten Mieten“ mehr, sondern entwickelt sich zunehmend zu einem Mietpreis-Hotspot Europas.

Während München Spitzenreiter mit über 22 Euro pro Quadratmeter ist, explodieren auch in Berlin und Frankfurt die Preise. Selbst Durchschnittsverdiener geraten in Metropolen an finanzielle Grenzen.

Steigende Mieten treiben soziale Ungleichheit

Die Dynamik bei den Mietpreisen bleibt trotz politischer Ankündigungen ungebrochen. Seit 2020 sind die durchschnittlichen Angebotsmieten laut Statistischem Bundesamt um über neun Prozent gestiegen.

Der Immobilienmakler Engel & Völkers nennt für 2025 einen bundesweiten Durchschnittsmietpreis von 11,20 Euro pro Quadratmeter – gegenüber 9,04 Euro im Jahr 2020. In Metropolen wie München, Frankfurt und Berlin explodieren die Preise regelrecht.

Spitzenreiter bleibt München mit durchschnittlich 22,64 Euro je Quadratmeter bei neueren Wohnungen (60 bis 80 Quadratmeter). Frankfurt (19,62 Euro) und Berlin (18,29 Euro) folgen dicht dahinter. Selbst bei Einbeziehung aller Baujahre kostet ein Quadratmeter in München inzwischen über 20 Euro – Tendenz weiter steigend.

Eigentum bleibt für breite Bevölkerungsschichten unerreichbar

Die Mietbelastung trifft die Deutschen dabei besonders hart, weil ein Großteil der Bevölkerung weiterhin zur Miete wohnt. Mit einer Mieterquote von 53 Prozent steht Deutschland europaweit auf Platz zwei hinter der Schweiz.

In den Niederlanden wohnen nur 31 Prozent zur Miete, in Spanien sogar nur rund 23 Prozent. Der Eigentumserwerb bleibt hierzulande vielen schlicht versperrt.

Zwar gibt es starke regionale Unterschiede: Im Saarland liegt die Eigentümerquote bei über 60 Prozent, in Hamburg nur noch bei 20 Prozent und in Berlin bei mageren 16 Prozent. Dennoch bleibt der Trend eindeutig: Die große Mehrheit der Deutschen bleibt dem Mietmarkt ausgeliefert – mitsamt steigender Preise.

Beengte Wohnverhältnisse trotz großzügiger Flächen

Paradox dabei: Obwohl viele Haushalte finanziell unter hohem Druck stehen, wohnen zahlreiche Mieter großzügiger, als es die reine Personenanzahl vermuten lässt. Laut YouGov leben 53 Prozent der Mieter in Wohnungen mit mehr Zimmern als Bewohnern. Nur sechs Prozent der Mieter müssen sich tatsächlich mit zu wenig Wohnfläche arrangieren.

Unter Eigentümern ist die Wohnfläche noch üppiger verteilt: Drei Viertel der Eigentümer verfügen über mindestens ein zusätzliches Zimmer pro Bewohner – ein Spiegelbild der wachsenden Vermögensschere auf dem deutschen Wohnungsmarkt.

Politik zwischen Ratlosigkeit und Symbolpolitik

Die neue Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) will sich dem Problem der ungleich verteilten Wohnfläche nun annehmen.

Ältere Menschen in großen Wohnungen sollen besser animiert werden, kleinere und altersgerechte Wohnungen zu beziehen, um so Wohnraum für Familien freizumachen. Doch Fachleute sehen darin bestenfalls ein Nebenschauplatz des Problems.

Das Grundproblem bleibt die Angebotslücke an bezahlbarem Wohnraum. Hohe Baukosten, schleppende Genehmigungsverfahren, Grundstücksknappheit und strenge Auflagen lassen die Bautätigkeit weit hinter dem tatsächlichen Bedarf zurückfallen.

Während die Mieten weiter steigen, scheinen politische Lösungen – ob Mietendeckel, Neubauoffensiven oder Wohngeldreformen – meist nur kurzfristig zu wirken oder scheitern an der Umsetzung.

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