Mercedes-Benz zieht einen dicken Strich unter eines der teuersten Kapitel seiner jüngeren Unternehmensgeschichte. Mit einer Zahlung von umgerechnet gut 102 Millionen Euro beendet der Konzern wesentliche Diesel-Verfahren in den USA. Es ist der letzte größere Schritt auf einem langen Weg zur juristischen Bereinigung – und dennoch kein Befreiungsschlag für den Aktienkurs.
Die Aktie der Mercedes-Benz Group notierte trotz der Einigung zeitweise im Minus. Ein Signal dafür, dass Rechtssicherheit zwar notwendig, aber längst nicht mehr kursentscheidend ist.
Vergleich statt Prozessrisiko
Konkret hat Mercedes-Benz mit mehreren US-Bundesstaaten Vergleiche geschlossen. Die Vereinbarungen müssen noch von Gerichten bestätigt werden, gelten intern jedoch als faktisch abgeschlossen. Im Kern geht es um Vorwürfe zu erhöhten Stickoxid-Emissionen bei rund 250.000 Diesel-Pkw und Transportern.
Für den Konzern ist entscheidend: Die finanziellen Belastungen waren bereits bilanziell eingeplant. Entsprechende Rückstellungen existierten seit Jahren. Der Vergleich verursacht daher keine neue Ergebnisbelastung, sondern schafft vor allem Planungssicherheit.

Aus Sicht des Managements ist das der eigentliche Wert der Einigung. Langwierige Prozesse, unkalkulierbare Strafzahlungen und weitere Reputationsschäden werden vermieden. Mercedes-Benz spricht von einem „weiteren wichtigen Schritt in Richtung Rechtssicherheit“.
Milliardenlast seit 2016
Die Diesel-Affäre begleitet Mercedes-Benz in den USA seit fast einem Jahrzehnt. Seit 2016 stand der Konzern im Fokus der US-Justiz wegen mutmaßlich unzulässiger Abgasstrategien. Anders als Volkswagen hat Mercedes jedoch stets bestritten, gezielt eine Abschalteinrichtung eingesetzt zu haben.
Dieser Unterschied ist zentral. Während Volkswagen den Abgasbetrug einräumte, Fahrzeuge zurückkaufen musste und jahrelang unter externer Aufsicht stand, kam Mercedes-Benz ohne Schuldeingeständnis aus. Rückkäufe blieben ebenso aus wie eine Zwangsüberwachung durch US-Behörden. Stattdessen wurden Software-Updates vereinbart – ähnlich wie in Europa.
In Summe kostete der Diesel-Komplex den Konzern in den USA dennoch mehr als zwei Milliarden Euro. Darin enthalten sind Vergleiche, technische Nachbesserungen und Anreizprogramme für Kunden. 2024 stellte das US-Justizministerium schließlich seine strafrechtlichen Ermittlungen ohne Anklage ein – ein entscheidender Meilenstein.
Operativ kaum noch Relevanz
Technisch ist das Thema weitgehend abgearbeitet. Nach Unternehmensangaben wurden bereits mehr als 85 Prozent der betroffenen Fahrzeuge mit neuer Software ausgestattet. Ein zusätzliches Anreizprogramm soll die verbleibenden Updates beschleunigen.

Für den laufenden Betrieb hat der Diesel-Streit damit kaum noch Bedeutung. Das erklärt auch die verhaltene Marktreaktion. Anleger hatten die Einigung erwartet, sie war im Kurs weitgehend eingepreist.
Warum die Aktie trotzdem nicht steigt
Dass die Mercedes-Benz-Aktie trotz der juristischen Entlastung leicht nachgab, ist kein Widerspruch. Der Markt beschäftigt sich derzeit mit anderen Fragen: Absatzentwicklung in China, Margendruck im Elektrogeschäft, Investitionshöhe für neue Plattformen und der Umgang mit wachsendem Wettbewerb im Premiumsegment.
Rechtsrisiken aus der Vergangenheit spielen dabei nur noch eine Nebenrolle. Die Diesel-Einigung ist ein notwendiger Schlussstrich, aber kein Wachstumstreiber. Für Investoren zählt, wie profitabel Mercedes-Benz den Übergang in die elektrische und digitale Zukunft gestaltet.
Ein sauberes Blatt – aber kein Neustart
Die Bedeutung der Einigung liegt weniger im finanziellen Effekt als in der Symbolik. Mercedes-Benz schließt eines der letzten offenen Kapitel aus der Diesel-Ära in den USA. Der Konzern ist damit juristisch weitgehend bereinigt und kann sich auf das operative Geschäft konzentrieren.
An der Börse jedoch gilt: Vergangenheitsbewältigung allein reicht nicht. Die Aktie reagiert erst dann nachhaltig, wenn neue Ertragsquellen überzeugen. Rechtssicherheit ist dafür die Voraussetzung – nicht der Katalysator.



