28. Juni, 2025

Politik

Machtwechsel bei den Rechten? – Bardella soll Le Pen ersetzen

Marine Le Pen droht wegen eines Gerichtsurteils das politische Aus. Jetzt bringt sie Parteichef Jordan Bardella als Nachfolger ins Spiel – und heizt die Debatte über Rechtstaat, Wählervolk und die Präsidentschaftswahl 2027 neu an.

Machtwechsel bei den Rechten? – Bardella soll Le Pen ersetzen
Veruntreuung von EU-Geldern? – Französische Ermittler werfen Le Pen vor, EU-Mittel systematisch für parteipolitische Zwecke umgeleitet zu haben – ein Vorwurf, der bereits mehrere RN-Funktionäre betrifft.

Ein Urteil, das Frankreich verändert

Frankreich steht vor einem ungewöhnlichen politischen Moment. Marine Le Pen, dreimalige Präsidentschaftskandidatin und Galionsfigur des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN), könnte 2027 nicht mehr antreten.

Der Grund: Ein Pariser Gericht entzog ihr im März das passive Wahlrecht – wegen mutmaßlicher Veruntreuung von EU-Mitteln. Der Schuldspruch reicht weit: Fünf Jahre lang darf sie sich nicht zur Wahl stellen. Das betrifft auch die nächste Präsidentschaftswahl.

In einem Interview mit dem rechtskonservativen Magazin Valeurs Actuelles reagierte Le Pen mit Trotz – und einem Signal: Sollte das Urteil Bestand haben, sei Jordan Bardella bereit, „die Fackel zu übernehmen“.

Der Kronprinz rückt in den Vordergrund

Jordan Bardella, 29 Jahre alt, ist kein Unbekannter. Parteichef des RN, Europaabgeordneter und seit Jahren Le Pens engster Vertrauter. Politisch steht er ihr nahe, rhetorisch oft noch schärfer, stilistisch allerdings moderner.


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Bereits im Mai deutete Bardella im Le Parisien an, dass er bereitstehe – falls „seine Kandidatin“ gehindert werde. Nun wird aus dem Konjunktiv offenbar ein Plan.

Im RN gilt Bardella längst als natürlicher Nachfolger. In der Parteibasis ist er beliebt, medial präsent und – was für die RN-Führung nicht ganz unwichtig ist – unverbraucht. Eine Präsidentschaftskandidatur 2027 käme früh, aber nicht überraschend.

Politische Inszenierung oder Rechtsstaatsskandal?

Le Pen spricht von einer „Hexenjagd“ und wirft der Justiz vor, sie aus dem Rennen drängen zu wollen. Die Anschuldigungen: Zweckentfremdung von EU-Geldern für Parteiarbeit – ein Vorwurf, der auch andere RN-Funktionäre trifft. Doch während ihre Anhänger das Urteil als politisch motiviert sehen, betonen Juristen die Sorgfalt der Ermittlungen.

Dass Le Pen in Berufung geht, ist angekündigt. Eine endgültige Entscheidung wird aber wohl erst 2026 fallen – wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl. Sollte das Urteil bestätigt werden, dürfte die politische Eskalation vorprogrammiert sein. Le Pen warnt bereits: Ein Ausschluss könnte „die Wut der Wähler“ entfachen.

2027 – Eine Wahl mit Fragezeichen

Der Fall wirft grundlegende Fragen auf: Darf eine demokratische Gesellschaft eine Kandidatin mit Millionenwählerbasis von der Wahl ausschließen? Und wie wirkt sich das auf die Legitimität des Urnengangs aus?

Le Pen selbst greift tief in die politische Kiste: „Was schlagen Sie sonst vor? Dass ich Selbstmord begehe, bevor ich ermordet werde?“, fragt sie – pathetisch, aber gezielt. Ihre Botschaft: Hier geht es nicht nur um ein Gerichtsurteil, sondern um das Wesen der Demokratie.

Le Pens Macht am seidenen Faden – Wegen eines Gerichtsurteils ist Marine Le Pen für fünf Jahre von Wahlen ausgeschlossen. Ob sie 2027 kandidieren darf, entscheidet ein Berufungsgericht erst 2026.

Die politischen Gegner halten dagegen. Wer sich wiederholt über EU-Recht hinwegsetze und mit öffentlichen Geldern private Parteikassen füttere, könne nicht auf Straffreiheit hoffen – egal wie groß die Anhängerschaft.

Bardella – Modernisierung oder Etikettenschwindel?

Während Le Pen kämpft, baut Bardella sein Profil weiter aus. Mit Erfolg: Bei der Europawahl 2024 erzielte der RN unter seiner Führung über 30 Prozent – ein historisches Ergebnis.

Doch was Bardella programmatisch von Le Pen unterscheidet, bleibt vage. In Interviews spricht er oft über „neue Ambitionen“, bleibt aber inhaltlich dem harten RN-Kurs treu.

Für viele Franzosen – auch jenseits der extremen Rechten – ist Bardella jedoch anschlussfähiger als seine Mentorin. Seine Jugend, seine Eloquenz und der moderne Auftritt gefallen auch enttäuschten Konservativen. Sollte Le Pen tatsächlich aus dem Rennen sein, könnte Bardella der RN ein neues Gesicht verleihen – ohne an Schärfe zu verlieren.

Ein juristisches Urteil – mit Sprengkraft

Noch ist offen, wie das Berufungsverfahren ausgeht. Doch schon jetzt zeigt sich: Die französische Präsidentschaftswahl 2027 wird nicht nur zur Abstimmung über Programme – sondern über Vertrauen. In Justiz, Institutionen und politische Integrität. Und möglicherweise über einen stillen Generationenwechsel am rechten Rand.

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