Ein Handschlag mit Signalwirkung
Emmanuel Macron und Donald Tusk treffen sich heute in Nancy. Nicht für ein Pressefoto, nicht für diplomatische Höflichkeiten.
Es geht um mehr: Mit dem „Vertrag von Nancy“ besiegeln Frankreich und Polen eine neue strategische Partnerschaft – politisch, wirtschaftlich und vor allem militärisch. Ein Signal, das weit über die Grenze beider Länder hinausreicht.
Europa unter Druck – und in Bewegung
Während Russland weiter an der Grenze zur Ukraine eskaliert und Belarus zum Spielball Moskaus wird, richtet sich Europas Blick nach Osten. Und dort, an der NATO-Ostflanke, ist Polen inzwischen nicht nur Schutzschild, sondern Gestalter geworden. Frankreich erkennt das – und geht den Schulterschluss bewusst ein.
Der neue Vertrag soll die Zusammenarbeit bei Verteidigung, Bildung, Atomkraft und wirtschaftlicher Entwicklung stärken. Doch er ist mehr als ein technisches Abkommen. Er ist Teil einer größeren europäischen Neuordnung – und Ausdruck eines Machtanspruchs.
Warum Nancy?
Die Stadt Nancy ist keine zufällige Kulisse. Im 18. Jahrhundert regierte hier Stanisław Leszczyński, ein polnischer König im französischen Exil. Sein Einfluss prägt die Stadt bis heute, etwa auf dem berühmten Place Stanislas.
Historische Verbindungen also, aber mit Blick nach vorn: Der Vertrag soll in Toul unterzeichnet werden – dort, wo in den 1920er Jahren polnische Arbeiter nach Frankreich kamen. Symbolik mit Substanz.

Paris sucht Partner – nicht nur Nachbarn
Macron hat in den letzten Jahren bilaterale Verträge mit Italien und Spanien geschlossen. Jetzt folgt Polen – das erste Land ohne direkte Grenze zu Frankreich.
Das zeigt: Der Élysée schaut bei strategischen Allianzen längst über die Landkarte hinaus. Mit Polen kommt ein Partner dazu, der militärisch aufrüstet, politisch wieder in der EU verankert ist – und sich von Washington nicht mehr allein abhängig machen will.
„Natürlich bleibt die USA wichtig“, sagt Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik. „Aber das Vertrauen in Trump oder seine mögliche Rückkehr ist in Warschau begrenzt. Frankreich erscheint da als verlässliche, europäische Alternative.“
Berlin schaut zu – und schweigt
Zur gleichen Zeit war Kanzler Friedrich Merz zu Besuch in Warschau. Sein Empfang: kühl. Streit über Grenzkontrollen, Unmut über Alleingänge. Der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag wird im Juni 33 Jahre alt – gefeiert wird vorerst nicht.
Während Frankreich strategische Allianzen schmiedet, wirkt Deutschland wie ein Gast auf der eigenen Hochzeit: anwesend, aber nicht im Mittelpunkt. Tusk spricht in Nancy über Zukunft, Merz in Warschau über Vergangenes. Das ist mehr als ein atmosphärischer Unterschied.
Ein Ende der alten Klischees?
Polen wird in Frankreich lange noch mit Vorurteilen verbunden. Der „polnische Klempner“ – einst Symbol für Billiglöhner und Sozialdumping – ist tief im Bewusstsein verankert. Doch die Realität hat sich geändert. Polen ist EU-Mitglied, zweitgrößter Empfänger von EU-Geldern, rüstet militärisch massiv auf – und will mehr Verantwortung in Europa.
Frankreich scheint das nun endlich ernst zu nehmen. Und der Vertrag von Nancy könnte der Moment sein, in dem alte Klischees verblassen – und ein neues Bild entsteht: das eines gleichberechtigten Partners.
Was jetzt zählt: Umsetzung
Abkommen unterschreiben ist das eine – sie mit Leben zu füllen, das andere. Entscheidend wird sein, ob die angekündigten Projekte auch konkret werden: Gemeinsame Ausbildungszentren, Technologie-Transfer, Kooperation beim Bau eines Atomkraftwerks in Polen. Gelingt das, entsteht hier ein neuer Machtblock in Europa – selbstbewusst, kooperativ, strategisch.
Europas neue Mitte?
Der Begriff ist alt, aber selten war er treffender. Mit dem Schulterschluss zwischen Paris und Warschau entsteht eine neue Achse – nicht gegen Berlin, aber auch nicht unter seiner Führung. Macron und Tusk nutzen die Lücke, die andere hinterlassen haben. Und sie tun das klug, entschlossen – und mit einem klaren Plan.
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