Ein Deal, der sich gewaschen hat
Der Luxusgigant LVMH steht offenbar kurz davor, sich von einem seiner bekanntesten Modehäuser zu trennen. Die Rede ist von Marc Jacobs – der Marke mit den schrillen Parfums, ikonischen Tote Bags und einer treuen Fangemeinde zwischen Brooklyn und Tokio.
Nach Informationen aus dem Umfeld des Konzerns laufen derzeit Verkaufsverhandlungen, die Marc Jacobs mit einem Wert von rund einer Milliarde US-Dollar beziffern.
Die Börse feiert schon mal vor. Die LVMH-Aktie schoss im nachbörslichen Handel auf Tradegate zwischenzeitlich über fünf Prozent nach oben. Das wirft Fragen auf: Warum trennt sich LVMH von einer Kultmarke? Und was bedeutet das für Anleger?
Nicht zum ersten Mal auf Diät
LVMH-Chefin Cécile Cabanis brachte es in der jüngsten Analystenkonferenz nüchtern auf den Punkt:
„Wir behalten keine Marken, die nicht zu uns passen oder bei denen wir nicht die richtigen Betreiber sind.“
Was in Konzernkreisen als strategische Klarheit gilt, ist für Beobachter Teil einer größeren Entwicklung: LVMH baut um – und zwar nach innen.
Bereits 2016 verkaufte der Konzern Donna Karan und DKNY für 650 Millionen Dollar. Off-White und Stella McCartney gingen kürzlich ebenfalls von Bord. Die Signale sind eindeutig: LVMH will sich fokussieren – auf Marken mit hohem strategischem Fit, starker Marge und globaler Markenmacht. Marc Jacobs ist zwar prominent, passt aber offenbar nicht mehr ins Konzept.
Authentic und Bluestar wittern ihre Chance
Zu den Interessenten zählen laut Insidern keine Unbekannten: Der Reebok-Eigentümer Authentic Brands Group, Brookstone-Mutter Bluestar Alliance und WHP Global, das unter anderem Vera Wang im Portfolio hat. Alle drei sind Spezialisten für den globalen Rollout von Lifestylemarken – oft mit aggressiver Lizenzierungsstrategie und Fokus auf den US-Markt.
Authentic gilt als Favorit. Der Konzern hat zuletzt gezeigt, dass er selbst komplexe Marken wie Reebok oder Forever 21 restrukturieren und in neue Märkte drücken kann. Für Marc Jacobs könnte das den Neustart bedeuten – unter ganz anderen Vorzeichen.

Was Anleger interessiert: die Marke, der Wert, die Strategie
Für Investoren steht aber weniger die Zukunft von Marc Jacobs im Vordergrund als vielmehr das große Ganze: Was bringt ein solcher Deal LVMH? Und warum reagiert die Aktie so positiv?
Die Antwort liegt in der Kombination aus schlankerem Markenportfolio, zusätzlichem Kapital – und einem klaren Signal an den Markt: LVMH bleibt selektiv. Statt sich in Nebenschauplätzen zu verlieren, will der Konzern seine Ressourcen auf Wachstumsperlen wie Dior, Louis Vuitton, Tiffany & Co. und Bulgari konzentrieren. Marken mit globaler Reichweite, Pricing-Power und zweistelligen Margen.
Raus mit dem Ballast, rein in die Marge
„Marken wie Marc Jacobs sind nicht automatisch schlecht“, sagt ein Branchenanalyst, der ungenannt bleiben will. „Aber für ein Unternehmen wie LVMH zählen Synergien, Skalierbarkeit und Markendurchschlagskraft. Wenn eine Marke da nicht mithalten kann, wird sie abgestoßen – und zwar bevor sie zur Belastung wird.“
Die Verkäufe der vergangenen Jahre zeigen: LVMH nutzt sein Markenportfolio wie ein Investmentfonds. Wer performt, wird ausgebaut. Wer nicht ins Zielbild passt, wird veräußert – idealerweise mit Gewinn.
Ein Börsenliebling wird wieder leichter
Für Anleger ist das Musik in den Ohren. Ein fokussierter Konzern, der sich von Randaktivitäten trennt, gilt als agiler, renditestärker und berechenbarer. Kein Wunder also, dass die Aktie bereits vor dem offiziellen Abschluss des Deals reagiert. Die Fantasie eines sauberen Ausstiegs – mit Milliarden-Erlös – wirkt wie ein Katalysator auf das Papier.
Hinzu kommt: LVMH hat zuletzt an der Börse verloren, der Luxusmarkt steht unter Druck, besonders in China. Ein starker Verkaufserlös könnte nicht nur bilanziell helfen, sondern auch ein Zeichen setzen – an Investoren, dass der Konzern die Zügel wieder fester in die Hand nimmt.
Und was wird aus Marc Jacobs?
Ein Verkauf an Authentic oder Bluestar könnte für die Marke sogar ein Befreiungsschlag sein. Die neue Eigentümerstruktur würde vermutlich auf Expansion im mittleren Preissegment zielen – mit Fokus auf E-Commerce, Lizenzmodelle und neue Vertriebskanäle. Ob das der Marke langfristig guttut, steht auf einem anderen Blatt.
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