Alitalia ist tot – doch ihre Schatten fliegen mit
Rom-Fiumicino, Cockpitsimulator. Zwischen modernster Technik und Relikten der Vergangenheit zeigt sich, worum es bei Lufthansa und Ita Airways letztlich geht: um das schwierige Erbe einer untergegangenen Marke.
Die Alitalia-Nachfolgerin soll Italiens Luftfahrt endlich auf einen stabilen Kurs bringen. Die Lufthansa glaubt: diesmal gelingt es.
Einfach wird das nicht. Ita Airways hat einen schwierigen Start hinter sich. Zwar ist die Airline formal von Altlasten befreit, doch die strukturellen Probleme des italienischen Marktes bestehen unverändert.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat sich auf ein milliardenschweres Projekt eingelassen, das sowohl als Meisterstück wie als Mahnmal in die Firmengeschichte eingehen könnte.
Schneller Deal, langfristige Risiken
Für zunächst 325 Millionen Euro übernimmt Lufthansa 41 Prozent der jungen Fluglinie. Die Komplettübernahme für maximal 829 Millionen Euro ist absehbar.
Viel Geld für eine Airline ohne nennenswerte Substanz: Fast alle 99 Maschinen sind geleast, das Hauptquartier gemietet. In der Bilanz lasten trotzdem 2,4 Milliarden Euro Verbindlichkeiten.
Dennoch gilt: Im Vergleich zum ewigen Alitalia-Desaster, das seit 2001 über 13 Milliarden Euro Verlust einflog, erscheint Ita fast schon gesund. 2024 erzielte die Airline bei 3,1 Milliarden Euro Umsatz immerhin einen kleinen operativen Gewinn von 3 Millionen Euro.

Politische Rückendeckung statt nationaler Abwehrreflexe
Überraschend für ein Land mit starkem Protektionismus: In Italien regt sich kaum Widerstand gegen den deutschen Einstieg. Gewerkschaften, Politik und Öffentlichkeit unterstützen den Deal.
Lufthansa-Manager Jörg Eberhart, selbst längst italienischer Staatsbürger, und Integrationsexpertin Lorenza Maggio gelten als Gesichter dieser neuen, einvernehmlichen Ära.
Auch die EU-Kommission, zunächst skeptisch, hat den Weg freigemacht – nicht zuletzt unter dem Druck europäischer Gewerkschaften, die sich für den Zusammenschluss starkmachten.
Rom bleibt ein wackeliges Drehkreuz
Doch die operative Realität bleibt kompliziert. Dreh- und Angelpunkt ist der Flughafen Rom-Fiumicino, für Geschäftsreisende im Norden Italiens wenig attraktiv. Mailand wäre geografisch günstiger – doch Alitalias frühere Versuche, dort ein Hub aufzubauen, scheiterten an Infrastruktur und Kundengewohnheiten.
Hinzu kommt die Konkurrenz der Billigflieger, allen voran Ryanair. Auf Italiens Inlandsstrecken dominiert der irische Platzhirsch, der mit aggressiven Preisen und dichter Taktung Marktanteile abschöpft. Ita bleibt wenig Spielraum, hohe Ticketpreise durchzusetzen.
Flotte am Limit, EU-Auflagen als Bremsklotz
Aktuell fehlen Ita Airways zudem schlicht Flugzeuge. Triebwerksprobleme bei Pratt & Whitney legen Maschinen lahm. Weitere Flugzeuge sind durch Auflagen der EU für EasyJet-Flüge abgestellt.
Unterm Strich fehlen rund 15 Prozent der eigentlich geplanten Kapazität. Ersatz durch Charteranbieter dürfte frühestens 2026 zur Verfügung stehen.
Integration im Eiltempo – mit bekannten Fallstricken
Lufthansa drängt zur schnellen Integration: Bereits 2026 soll Ita vollständig in den Lufthansa-Kosmos eingegliedert sein. Dazu gehören die Migration in die Star Alliance, ein gemeinsames IT-System und abgestimmte Flugpläne. 63 Einzelprojekte sind aktuell aufgesetzt.
Doch gerade die zügige Eingliederung birgt Gefahren. Mehrere Lufthansa-Kenner warnen, dass die Konzernzentrale Gefahr läuft, Ita mit deutschem Regelwerk und Kontrollwut zu überziehen – ein Fehler, der bereits bei früheren Auslandstöchtern kostspielige Anpassungen nötig machte.
Das Namensproblem bleibt offen
Noch ungelöst ist die Markenfrage. Ita besitzt zwar die Rechte am traditionsreichen Namen Alitalia, zögert aber mit einer Entscheidung.
Während Alitalia in Italien für Pleiten, Pech und Pannen steht, genießt die Marke international immer noch einen gewissen Glanz. Bis Jahresende will das Management Klarheit schaffen.
Der Vatikan als kleiner Verbündeter
Eine italienische Besonderheit bleibt auch unter Lufthansa-Regie erhalten: der gute Draht zum Vatikan. Ita Airways fliegt weiterhin päpstliche Delegationen – inklusive Rahmenvertrag mit dem Heiligen Stuhl. Symbolpolitik, aber auch eine subtile Absicherung politischer Sympathien.
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