Zwischen Aufbruch und Ernüchterung
Noch vor wenigen Wochen klang Carsten Spohr, als wäre die Wende geschafft. „Der Turnaround kommt voran“, erklärte der Lufthansa-Chef im September, sichtlich gelöst nach Jahren des Krisenmodus. Auf Aktionärstreffen und Branchenveranstaltungen präsentierte er ein Unternehmen, das sich neu erfunden habe – mit wachsender Profitabilität und einem klaren Ziel: Europas Nummer eins zu bleiben.
Nun, Ende Oktober, klingt der Ton leiser. Der Umsatz kletterte in den ersten neun Monaten 2025 zwar um fünf Prozent auf knapp 30 Milliarden Euro, doch der Quartalsgewinn ist rückläufig. Nur weil es in diesem Jahr – anders als 2024 – keine teuren Streiks gab, bleibt unter dem Strich ein Plus. Rechnet man die damaligen Ausstände heraus, liegt der operative Gewinn rund 20 Prozent unter dem Vorjahr.
Die Luft wird dünner
Dabei schien Spohrs Umbau Früchte zu tragen. Die Frachttochter Lufthansa Cargo, der Billigflieger Eurowings und das Wartungsgeschäft „Technik“ lieferten gemeinsam rund eine Milliarde Euro operativen Gewinn. Intern nennt Spohr die drei Sparten augenzwinkernd seinen „Billionaires Club“.
Doch das Herzstück, das Passagiergeschäft, schwächelt. Die Nachfrage bleibt hoch, die Ticketpreise ebenso – aber die Kosten steigen schneller. Piloten fordern nach US-Vorbild zweistellige Gehaltserhöhungen, die Energiepreise bleiben angespannt, und von den politisch versprochenen Entlastungen bei Flugsicherung und Passagierkontrollen ist keine Spur. Im Gegenteil: Die Gebühren sollen 2026 sogar steigen.
„Für jedes gelöste Problem bekommen wir ein neues“, fasst ein Lufthansa-Manager intern die Lage zusammen.
Optimistische Präsentationen, skeptische Analysten
Offiziell gibt sich Spohr unbeeindruckt. Auf dem Kapitalmarkttag Ende September malte er das Bild einer Airline-Gruppe, die 2028 eine operative Marge von bis zu zehn Prozent erreichen könne – doppelt so viel wie 2024. Seine Präsentation trug den verheißungsvollen Titel „#1 Airline Group in Europe“.
Doch viele Analysten halten die Prognose für zu ambitioniert. „Wir sehen das größte Risiko bei Lufthansa“, sagt Harry Gowers von JPMorgan. Der Experte verweist auf sinkende Durchschnittserträge – die sogenannten Yields – und einen zunehmend schwierigen Langstreckenmarkt. „Seit Spätsommer zeigen alle Flugpläne eine spürbare Verlangsamung.“
Selbst Vielflieger sind skeptisch. „Konsistenz beim Service? Die besteht bei Lufthansa derzeit nur darin, dass man nie weiß, in welchem Flugzeug man landet“, spottet ein Statuskunde mit Blick auf die schleppende Einführung der neuen Allegris-Kabine. Erst 2030 sollen alle Maschinen umgerüstet sein.
Der Umbau – eine Operation am offenen Herzen
Spohrs Strategie trägt Züge einer großen Restrukturierung. Der Konzern arbeitet am Programm „One Group Transformation“, das Prozesse vereinheitlichen, Synergien heben und Kosten senken soll. Gleichzeitig investiert Lufthansa Milliarden in neue, sparsamere Flugzeuge und digitale Abläufe.
Doch die Umsetzung ist zäh. Viele Führungskräfte klagen über interne Reibungen, andere über mangelnde Prioritäten. Der Sparkurs trifft auf Widerstand in der Belegschaft, die bereits durch Pandemie und Personalabbau zermürbt ist. Rund 4000 Stellen sollen in den kommenden Jahren wegfallen – teils ersetzt durch KI-Systeme in Verwaltung und Buchhaltung.
Politische Gegenwinde
Dass der Aufwind ausbleibt, liegt auch an der Politik. Während Frankreich und die Niederlande ihre nationalen Airlines mit Steuererleichterungen stützen, ringt Lufthansa in Deutschland mit wachsenden Abgaben und Bürokratie. Spohr kritisiert seit Monaten „fehlende Standortpolitik für den Luftverkehr“. Doch bislang ohne Erfolg.
Hinzu kommt der Wettbewerbsdruck durch Golf- und US-Airlines, die mit staatlicher Rückendeckung und günstigeren Bedingungen operieren. Lufthansa zahlt höhere Gebühren, höhere Löhne – und muss dennoch die Premiumpreise rechtfertigen.

Zwischen Hoffnung und Realität
Trotz allem glaubt Spohr an seine Vision. Das Premiumversprechen, das er mit der neuen Kabinengeneration und dem Allegris-Konzept erneuern will, soll Lufthansa zurück an die Spitze bringen. Die Strategie: weniger Masse, mehr Wert.
Doch die Realität bleibt kompliziert. Der internationale Wettbewerb verschärft sich, die Erträge sinken, und die eigenen Kosten laufen davon. Gleichzeitig drohen neue Streiks der Pilotenvereinigung Cockpit – ein Risiko, das in den aktuellen Prognosen noch gar nicht eingepreist ist.
Der Flug durch Turbulenzen geht weiter
Lufthansa steht an einem Wendepunkt. Der Konzern hat die Pandemie überlebt, den Schuldenberg abgetragen und das Vertrauen vieler Kunden zurückgewonnen. Doch der Aufstieg zur alten Stärke bleibt mühsam.
Spohr selbst weiß das. „Wir haben noch einen langen Weg vor uns“, sagte er jüngst auf einer internen Konferenz. Ein Satz, der fast nach Landung klingt – aber wohl erst den nächsten Start beschreibt.

                