17. Juni, 2025

Unternehmen

Lufthansa dreht Deutschland den Rücken: Spohr streicht Strecken

Die einstige Nationalairline stationiert erstmals mehr Jets im Ausland als in der Heimat. Lufthansa-Chef Carsten Spohr warnt vor dem wirtschaftlichen Abstieg Deutschlands – und verlagert selbst kräftig Kapazitäten.

Lufthansa dreht Deutschland den Rücken: Spohr streicht Strecken
Immer mehr Lufthansa-Jets starten nicht mehr aus Deutschland: Erstmals 2025 mehr Maschinen an ausländischen Drehkreuzen stationiert als an den Heimatflughäfen Frankfurt und München.

Wer in diesen Tagen von Paderborn nach München fliegen will, braucht vor allem eines: Geduld. Denn Flüge gibt es keine mehr.

Und Paderborn steht damit exemplarisch für eine Entwicklung, die sich durch das ganze Streckennetz der Lufthansa zieht: Deutschlands größte Airline kappt systematisch innerdeutsche Verbindungen und stationiert immer mehr Flugzeuge an ausländischen Drehkreuzen.

Vorstandschef Carsten Spohr spricht offen aus, was hinter dieser Strategie steckt – und warum sie aus seiner Sicht unausweichlich ist.

Vom Heimatmarkt zum Nebenschauplatz

Die Zahlen sind eindeutig – und aus Sicht der Lufthansa ernüchternd. Nur noch rund ein Viertel des Umsatzes macht der Konzern im Heimatmarkt Deutschland. 2025 ist das Jahr, in dem die Zahl der stationierten Maschinen im Ausland erstmals jene an den deutschen Airports Frankfurt und München übertrifft.

Wachstum findet für die Lufthansa längst woanders statt: in Zürich, Brüssel, Wien und zuletzt auch in Rom, wo die italienische ITA übernommen wurde.

Der Grund für diese Verschiebung liegt laut Spohr weniger in fehlender Nachfrage als vielmehr in einem wirtschaftlich kaum noch tragfähigen Umfeld in Deutschland. Hohe Steuern, Abgaben, Regulierungen und politische Restriktionen wie Nachtflugverbote oder Emissionshandel würden die Standortattraktivität systematisch untergraben.

„Wir können uns in Europa nicht selbst verteidigen, nicht mit Energie versorgen – und nun auch nicht mehr mit der Welt verbinden“, warnt der Lufthansa-Chef.

Abkopplung ganzer Regionen

Die Folgen der betriebswirtschaftlichen Rationalisierung sind in etlichen Regionen bereits Realität. Flughäfen wie Paderborn, Friedrichshafen oder Köln-Bonn verlieren ihre Lufthansa-Anbindung vollständig oder weitgehend.

Strecken wie Köln-Hamburg, früher selbstverständlich, existieren schlicht nicht mehr. Selbst zwischen Düsseldorf und Berlin gibt es nur noch drei statt vormals zehn tägliche Verbindungen.

„Wir müssen rechnen“, betont Spohr nüchtern. Flugzeuge auf schwach ausgelasteten Inlandsstrecken würden schlicht die Wirtschaftlichkeit untergraben. Wären die Preise kostendeckend, blieben die Maschinen leer.

Im Ergebnis verlagert die Lufthansa ihre Kapazitäten dorthin, wo Nachfrage und Ertrag stimmen – etwa nach Mallorca, wohin allein aus Nordrhein-Westfalen inzwischen täglich 20 Maschinen starten.

Globale Expansion als Überlebensstrategie

In Deutschland schrumpft Lufthansa, global expandiert sie. Mit aktuell 14 Airline-Marken, rund 850 Flugzeugen und mehr als 110.000 Beschäftigten hat sich der Konzern zum größten Luftfahrtunternehmen Europas und zur weltweiten Nummer vier aufgeschwungen. 2025 will die Gruppe erstmals die Marke von 40 Milliarden Euro Umsatz knacken.

Besonders lukrativ bleibt dabei der Nordatlantikverkehr. Trotz politischer Irritationen seit dem erneuten Amtsantritt von Donald Trump floriert das USA-Geschäft derzeit wie selten zuvor.

Doch auch hier zeichnen sich erste Bremsspuren ab. Ab dem dritten Quartal rechnet Spohr mit einer Abschwächung der Buchungszahlen – vor allem bei preissensiblen Kunden aus Deutschland. In den Premiumklassen hingegen bleiben Nachfrage und Zahlungsbereitschaft stabil.

Politische Appelle, aber keine Strategieänderung

So kritisch Spohr die politischen Rahmenbedingungen in Europa kommentiert, so konsequent handelt er unternehmerisch: mehr Ausland, weniger Heimat.

Und selbst dort, wo ausländische Märkte ins Wanken geraten – etwa wegen der Unruhen in Los Angeles – verschiebt die Lufthansa Kapazitäten lieber in die stabileren US-Binnenmärkte, als auf Rückkehr nach Deutschland zu setzen.

Die Botschaft an die Politik ist damit klar: Ohne Reformen bei Kosten, Regulierung und Infrastruktur wird die Luftfahrt ihre innerdeutsche Bedeutung weiter einbüßen. „Die Luftfahrt darf nicht die nächste Branche sein, in der Europa den Anschluss verliert“, mahnt Spohr. Doch seine eigene Standortentscheidung scheint längst gefallen.

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