Das Schiff ist weg – und mit ihm ein Stück Versorgungssicherheit
Der Plan war eigentlich klar: Im Herbst sollte in Stade ein neues Flüssiggas-Terminal in Betrieb gehen. Ein schwimmendes, modern ausgestattetes Terminalschiff, die „Energos Force“, sollte dort anlegen, verflüssigtes Erdgas regasifizieren und ins Netz einspeisen.
Aber das Schiff ist nicht da – es fährt gerade Richtung Gibraltar. Und niemand kann schlüssig erklären, warum.
Ein Zeitplan liegt vor – doch das Terminal liegt brach
Noch am vergangenen Freitag hatten Vertreter von Uniper, der Deutschen Energy Terminal GmbH (DET), dem Projektentwickler Hanseatic Energy Hub (HEH) und Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies zusammengesessen. Thema: Wie retten wir das Terminalprojekt in Stade?
Unipers Experten erklärten, dass eine Inbetriebnahme bis Mitte November möglich sei – wenn man sofort loslegt.
Ein detaillierter Zeitplan über 140 Tage lag vor. Für Tag 80 war die Ankunft und der Anschluss des Schiffs vorgesehen. Mitte September also. Nur: Das Schiff fährt gerade weg.
100.000 Euro – pro Tag
Die Mietkosten für die „Energos Force“ sind happig: über 100.000 Euro täglich. Deshalb sei das Schiff vorübergehend „untervermietet“ worden, heißt es offiziell. Klingt vernünftig – wenn man nicht auf die Idee gekommen wäre, dass ein rechtzeitiger Betrieb in Stade Priorität haben sollte.

Denn mit jedem Tag, den das Schiff fernbleibt, wird ein Starttermin vor dem Winter unwahrscheinlicher. Das sorgt hinter den Kulissen für Unmut – und offenbart ein tieferes Problem.
Vom Vorzeigeprojekt zum Streitfall
Ursprünglich war das Terminal in Stade eines der Prestigeprojekte der LNG-Offensive. Bereits 2022 sicherten Bund und Land über 200 Millionen Euro zu. HEH baute die Verbindung zum Netz, die bundeseigene DET sollte betreiben.
Doch dann kam es zum Bruch. Die DET beanstandete technische Mängel, verweigerte die Abnahme. HEH kündigte, die DET kündigte zurück. Seitdem steht das Projekt still. Und das teure Terminalschiff lag monatelang vor Skagen in Dänemark – jetzt schippert es Richtung Süden.
Kalte Speicher, warme Worte
Das Timing ist heikel. Derzeit sind Deutschlands Gasspeicher zu rund 50 % gefüllt. Bis November sollen es 70 % sein. Aber mit jeder Verzögerung steigt das Risiko, dass der Staat wieder teuer nachhelfen muss – wie 2022.
Gleichzeitig betont Wirtschaftsministerin Katharina Reiche, wie wichtig die LNG-Terminals für die Versorgungssicherheit seien – auch über Deutschland hinaus. Doch Stade, das Terminal Nummer fünf, droht zum Papiertiger zu werden.
Ein Schiff, drei Fragen
Erstens: Wer hat entschieden, das Schiff unterzuvermieten, obwohl es laut Plan Mitte September gebraucht wird?
Zweitens: Wie kann eine „zeitnahe Inbetriebnahme“ sichergestellt werden, wenn das Schiff unterwegs ist?
Drittens: Warum gibt es bis heute keine verbindliche Einigung zwischen HEH und DET?
Auf all diese Fragen gibt es bislang keine klaren Antworten. Dafür jede Menge diplomatische Formulierungen, wonach „eine Subcharter den Betriebsstart nicht beeinträchtigt“ – obwohl alle Fakten auf das Gegenteil hindeuten.
Ein Mahnmal der Koordination
Der Fall Stade ist kein Einzelfall – sondern ein Sinnbild für das, was in der deutschen Energiepolitik oft schiefläuft: viele Beteiligte, unklare Zuständigkeiten, wenig Transparenz. Und am Ende ein Schiff, das nicht dort ist, wo es sein sollte.
Dabei geht es längst nicht mehr nur um Stade. Deutschland will LNG-Drehscheibe für Europa sein. Dafür braucht es nicht nur Infrastruktur – sondern vor allem einen funktionierenden Plan.
Wenn Versorgungssicherheit zur Rechensache wird
Natürlich ist es richtig, Ausgaben im Blick zu behalten. Aber wenn das Ziel, Geld zu sparen, höher bewertet wird als das Ziel, den Gasbedarf im Winter zu decken, läuft etwas grundlegend falsch. Zumal der Markt volatil bleibt – und sich Füllstände nicht politisch erzwingen lassen.
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