03. Oktober, 2025

Politik

Lieferkettengesetz entkernt – Berlin stoppt Sanktionen fast komplett

Die Bundesregierung weist das BAFA an, Prüfungen weitgehend einzustellen. Für Unternehmen bedeutet das kurzfristig Entlastung – für Menschenrechte in globalen Lieferketten einen herben Rückschlag.

Lieferkettengesetz entkernt – Berlin stoppt Sanktionen fast komplett
Kritiker warnen: Deutschlands Kehrtwende sendet das Signal, dass Menschenrechte in Lieferketten hinter wirtschaftlichen Interessen zurückstehen.

Die Bundesregierung hat das Lieferkettengesetz faktisch auf Eis gelegt. Mit einer internen Weisung hat das Bundeswirtschaftsministerium das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) angewiesen, Prüfungen zu stoppen und Sanktionen nur noch in absoluten Ausnahmefällen zu verhängen.

Neun von dreizehn Ordnungswidrigkeitstatbeständen werden nicht mehr verfolgt – ein radikaler Eingriff, der die Grundidee des Gesetzes infrage stellt.

„Sofortige Entlastung“ – Regierung zieht Notbremse

Offiziell begründet die Regierung den Schritt mit einer „sofortigen Entlastung für Unternehmen“. Die Praxis sieht anders aus: Was als Regulierung mit internationaler Signalwirkung begann, droht zum zahnlosen Tiger zu verkommen.

Denn seit Inkrafttreten 2023 wurden zwar Verfahren eingeleitet, doch keine einzige Sanktion verhängt. Nun wird selbst dieser theoretische Druck auf Unternehmen weitgehend aufgehoben.

Ein Gesetz ohne Biss

Das Lieferkettengesetz sollte sicherstellen, dass deutsche Unternehmen Verantwortung für Arbeitsbedingungen und Menschenrechte in ihren globalen Wertschöpfungsketten übernehmen.

Neun von dreizehn Sanktionsmöglichkeiten gestrichen – das Lieferkettengesetz verliert in der Praxis fast seine gesamte Wirkungskraft.

Künftig gilt: Nur „besonders gravierende“ Verstöße – ein Begriff, den die Weisung bewusst vage lässt – sollen noch verfolgt werden. Juristen warnen vor einer faktischen Außerkraftsetzung. „Es ist, als bliebe ein Parkverbot bestehen, aber Falschparken wird nicht mehr bestraft – außer vielleicht vor einer Feuerwehreinfahrt, deren Grenzen niemand kennt“, so Anwalt Martin Rothermel.

Streit zwischen Berlin und Brüssel

Die Bundesregierung beruft sich auf die geplante EU-Regulierung, die das deutsche Gesetz langfristig ersetzen soll. Doch auch auf europäischer Ebene steht eine Abschwächung zur Debatte. Mitte Oktober wird darüber abgestimmt. Kritiker befürchten, dass Deutschland mit seiner Kehrtwende Brüssel signalisiert: Menschenrechtsstandards sind verhandelbar, wenn sie wirtschaftlich unbequem werden.

Wirtschaft erleichtert, Mittelstand gespalten

Während große Verbände den Schritt begrüßen, verweisen andere auf die Kehrseite. Mittelständische Zulieferer sehen sich weiter in der Pflicht, Dokumentationsaufgaben zu erfüllen – oft, weil Konzerne Pflichten nach unten durchreichen. Die eigentliche Bürokratieverlagerung bleibt also bestehen, nur der Sanktionsdruck auf große Unternehmen entfällt.

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Juristen warnen vor Rechtsunsicherheit

Fachanwälte wie Marc Rutloff betonen, dass Unternehmen weiterhin verpflichtet sind, Risikoanalysen durchzuführen und intern zu dokumentieren. „Das Gesetz gilt weiter – auch wenn die Durchsetzung praktisch stillgelegt wurde“, sagt er. Für Unternehmen bedeutet das: Pflichten bleiben bestehen, Verlässlichkeit fehlt.

Ein Signal mit Sprengkraft

Die schwarz-rote Koalition unter Kanzler Friedrich Merz hatte bereits im Koalitionsvertrag angekündigt, das Lieferkettengesetz abzuschaffen und auf EU-Ebene neu zu regeln. Mit der jetzigen Weisung setzt sie dieses Versprechen faktisch vorzeitig um – und gibt damit ein Signal, das weit über Deutschland hinaus wirkt.

Das Risiko: Während Unternehmen kurzfristig entlastet werden, verliert Deutschland als Standort für „wertebasierte“ Wirtschaftspolitik an Glaubwürdigkeit. Ob Brüssel die Lücke füllen kann oder ob globale Lieferketten künftig noch weniger kontrolliert werden, entscheidet sich in den kommenden Wochen.

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