Die Idee wirkt heute selbstverständlich, war aber vor 15 Jahren erklärungsbedürftig. 2009 sitzt Aileen Haller in Frankfurt und wirbt bei deutschen Mittelständlern um etwas, das es im hiesigen Finanzsystem praktisch nicht gibt: Unternehmenskredite außerhalb von Banken. Direct Lending, finanziert von Fonds, ohne Filialnetz, ohne Sparkassenlogo. Skepsis ist die Regel, Vertrauen die Ausnahme.
Heute stammen rund 60 Prozent der Finanzierungen von Private-Equity-geführten Mittelständlern in Deutschland von genau solchen Direktkreditgebern. Banken sind noch da – aber nicht mehr allein. Hallers Karriere bei Ares Management steht exemplarisch für eine Entwicklung, die inzwischen weit über institutionelle Investoren hinausreicht.
Private Markets sind dabei, vom Spezialthema zur neuen Normalität zu werden.

Larry Fink erklärt das alte Portfolio für tot
Den lautesten Impuls setzt Larry Fink. Der Chef von BlackRock verabschiedet sich öffentlich vom klassischen 60/40-Portfolio. Seine neue Formel: 50 Prozent Aktien, 30 Prozent Anleihen, 20 Prozent Private Markets.
Die Begründung ist nüchtern. Aktien und Anleihen diversifizieren nicht mehr zuverlässig. Spätestens 2022 wurde deutlich, dass beide Anlageklassen gleichzeitig verlieren können. Wirtschaftswachstum auf der einen Seite, Zinsniveau auf der anderen – mehr Faktoren steuern ein klassisches Depot oft nicht mehr.
Private Assets sollen genau hier ansetzen. Sie folgen nicht Börsentakten, sondern Projekten, Unternehmen, Verträgen. Risiken sind individueller, Erträge weniger synchron mit den Kapitalmärkten.
Die Wirtschaft findet längst jenseits der Börse statt
Benjamin Fischer, Deutschlandchef für Banken und Vermögensverwalter bei BlackRock, verweist auf eine einfache Kennzahl: Nur rund 12 Prozent der Unternehmen mit mehr als 100 Millionen Dollar Umsatz sind börsennotiert. Der Rest – 88 Prozent – operiert im Privatmarkt.
Wer ausschließlich in öffentliche Märkte investiert, blendet einen Großteil der realen Wirtschaft aus. Genau diese Lücke will BlackRock schließen. Und untermauert den Anspruch mit Geld: In weniger als zwei Jahren investierte der Konzern fast 30 Milliarden Dollar in Zukäufe wie Global Infrastructure Partners, den Datenanbieter Preqin und HPS Investment Partners im Bereich Private Credit.
Zum Vergleich: Der ETF-Pionier iShares kostete 2009 rund 13,5 Milliarden Dollar.
Regulierung und Nullzinsen als Brandbeschleuniger
Der Aufstieg der Private Markets ist kein Zufall. Er ist das Resultat zweier politischer Entscheidungen. Erstens: strengere Bankenregulierung nach der Finanzkrise. Basel-III-Regeln machten langfristige, kapitalintensive Kredite für Banken unattraktiv. Zweitens: eine jahrelange Nullzinsphase, die Investoren zwang, Rendite jenseits klassischer Anleihen zu suchen.
In diese Lücke stießen Private-Equity-Häuser, Infrastrukturinvestoren und Kreditfonds. Sie boten Kapital, wo Banken sich zurückzogen – flexibler, schneller, oft zu höheren Zinsen. Für Investoren kam ein zusätzlicher Anreiz hinzu: die Illiquiditätsprämie. Wer Kapital langfristig bindet, erhält einen Mehrertrag.

Warum Private Credit als stabil gilt
Innerhalb der Private Markets nimmt Private Credit eine Sonderrolle ein. Variable Verzinsung, oft an Leitzinsen gekoppelt, bietet Schutz vor Inflation. Historische Daten zeigen Renditen von rund neun Prozent über 20 Jahre bei Ausfallraten um ein Prozent. Der fehlende tägliche Kurszettel wirkt dabei fast disziplinierend. Keine tägliche Volatilität, kein reflexartiges Verkaufen.
Auch Infrastruktur gilt als defensiver Baustein. Stromnetze, Pipelines, Verkehrswege liefern stabile, häufig inflationsgeschützte Cashflows. Dass Deutschland für Versicherer und Pensionskassen inzwischen eine eigene Infrastrukturquote eingeführt hat, ist ein politisches Signal: Privates Kapital wird gebraucht.
Illiquidität verliert ihren Schrecken
Der klassische Einwand bleibt: fehlende Liquidität. Zehn Jahre Kapitalbindung, kaum Exit-Möglichkeiten. Doch auch dieses Argument verliert an Schärfe. Der Sekundärmarkt für Private Assets wächst rasant. Anteile lassen sich heute handeln, Abschläge sind kalkulierbarer, Transparenz nimmt zu.
Private Markets bleiben langfristig – aber nicht mehr starr.
Chance, Hype oder Pflicht?
Die Antwort lautet: alles drei – je nach Perspektive. Für institutionelle Investoren sind Private Markets längst Pflicht. Für Privatanleger werden sie zur Chance, wenn Zugang, Kosten und Struktur stimmen. Als Hype taugen sie nur dann, wenn Risiken ausgeblendet werden: Komplexität, lange Bindung, geringere Transparenz.
Finks 50/30/20 ist keine Einladung zum blinden Nachahmen. Es ist eine Diagnose: Die alte Ordnung funktioniert nicht mehr allein. Wer Vermögen langfristig strukturieren will, kommt an privaten Märkten kaum vorbei.
Nicht aus Modegründen. Sondern weil ein Großteil der Wertschöpfung längst dort stattfindet.



