Der dänische Pharmakonzern Novo Nordisk, bekannt für seine Abnehmspritzen Wegovy und Ozempic, hat nach einer erneuten Gewinnwarnung einen dramatischen Kursverlust erlitten.
Die Aktie brach am Dienstag um mehr als 20 Prozent ein und verlor damit innerhalb eines Tages rund 65 Milliarden Euro an Börsenwert. Der Konzern, der zeitweise mit über 600 Milliarden Euro als wertvollstes Unternehmen Europas galt, muss nun strategisch gegensteuern.
Am gleichen Tag wurde der neue CEO bekannt gegeben: Der 54-jährige Österreicher Maziar Mike Doustdar, bisher verantwortlich für das internationale Geschäft, wird zum 7. August die Leitung übernehmen.
Er löst Lars Fruergaard Jorgensen ab, der seit 2017 im Amt war und bereits im Mai entmachtet wurde, aber bis zuletzt die Geschäfte führte. Doustdar wird damit erst der sechste CEO in der über 100-jährigen Geschichte von Novo Nordisk.
Prognose gesenkt, Vertrauen erschüttert
Am Dienstagvormittag veröffentlichte Novo Nordisk eine revidierte Jahresprognose. Für 2025 rechnet das Unternehmen nun nur noch mit einem organischen Umsatzwachstum zwischen 8 und 14 Prozent. Zuvor hatte der Konzern 13 bis 21 Prozent in Aussicht gestellt.
Auch beim operativen Gewinn senkte man die Erwartungen: Statt 16 bis 24 Prozent erwartet Novo Nordisk nun ein Plus von nur noch 10 bis 16 Prozent. Die Gewinnwarnung fiel damit deutlich stärker aus als von Analysten erwartet.
„Die Korrektur kam überraschend deutlich und zeigt, dass die Probleme bei Novo tiefer liegen als angenommen“, kommentierte Markus Manns, Fondsmanager bei Union Investment.
Die Märkte reagierten entsprechend heftig: Die Aktie fiel am Dienstagvormittag zwischenzeitlich unter die Marke von 90 Euro – der niedrigste Stand seit Oktober 2023.
Marktanteile verloren – vor allem in den USA
Die Probleme von Novo Nordisk sind vielschichtig. In den USA, dem wichtigsten Absatzmarkt für Wegovy und Ozempic, verlor der Konzern zuletzt spürbar Marktanteile an den US-Rivalen Eli Lilly.
Dessen Konkurrenzprodukt Zepbound gilt in der Praxis als noch wirksamer – was sich in steigenden Verschreibungszahlen widerspiegelt. Während Novo in den USA kämpft, wächst Lilly dort zweistellig. Das brachte die einstige Vormachtstellung der Dänen ins Wanken.
Ein Hoffnungsschimmer: Die Verschreibungszahlen für Wegovy zogen zuletzt wieder leicht an. Analysten sehen darin unter anderem einen Effekt des neuen Distributionsabkommens mit dem US-Pharmahändler CVS Health, der allein 200.000 neue Patientinnen und Patienten bringen könnte.
Doustdar kündigt Kurswechsel an – schnell und effizient
In einer virtuellen Pressekonferenz kündigte der designierte CEO Doustdar einen klaren Fokus auf Schnelligkeit, Effizienz und Marktführerschaft an. Die Entscheidungsprozesse im Konzern sollen gestrafft werden, auch die Leistungsorientierung soll gestärkt werden.
„Wir müssen wieder schneller werden – von der ersten Idee bis zur Markteinführung“, sagte Doustdar.
Einsparungen bei den Kosten schloss er nicht aus, betonte jedoch, dies stehe nicht im Widerspruch zur Unternehmenskultur oder zur Work-Life-Balance.
Branchenbeobachter hatten teilweise mit einem externen Kandidaten gerechnet. „Viele hatten angesichts der Probleme auf einen externen Neustart gehofft“, sagte Fondsmanager Manns. Dennoch gilt Doustdar intern als erfahrener Stratege mit tiefem Verständnis für internationale Märkte. Seine Berufung signalisiert Stabilität, aber auch den Willen zur Erneuerung.

Spekulation um „tiefgestapelte“ Prognose
In Investorenkreisen wird spekuliert, ob die drastisch gesenkte Prognose dem neuen CEO bewusst Spielraum verschaffen soll. Sollte es Doustdar gelingen, die Erwartungen in der zweiten Jahreshälfte zu übertreffen, könnte dies als starkes erstes Signal seiner Amtszeit gewertet werden.
Hinzu kommt: Novo Nordisk ist als europäischer Produzent besonders von den neuen US-Zöllen auf pharmazeutische Produkte betroffen. Derzeit gelten 15 Prozent Strafzoll auf bestimmte Arzneimittelimporte – ein Thema, das Doustdar bisher nicht öffentlich kommentierte.
Ein Konzern unter Zugzwang
Die nächsten Monate werden entscheidend sein für Novo Nordisk. Der Konzern steht unter hohem Erwartungsdruck von Anlegern, Ärzten und Patienten. Die Konkurrenz schläft nicht – und im lukrativen Markt für Abnehmmittel und Diabetespräparate herrscht längst ein erbitterter Verdrängungswettbewerb.
Doustdar tritt sein Amt in einer Phase an, in der das einstige Vorzeigeunternehmen nicht nur Vertrauen zurückgewinnen, sondern auch seine Innovationskraft unter Beweis stellen muss. Die Latte liegt hoch – der Kapitalmarkt schaut genau hin.
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