Wenn ein Handelskrieg Container leert
Die Krise bei Kühne + Nagel kommt nicht schleichend, sondern mit Ansage. Seit US-Präsident Donald Trump im Frühjahr neue Strafzölle auf fast alle Importländer verhängt hat, sind die Handelsströme ins Stocken geraten. Die Folgen treffen besonders die globalen Logistikriesen – allen voran die Schweizer Traditionsfirma, die fast die gesamte Weltwirtschaft bewegt.
Das dritte Quartal war ein Warnsignal: Der Umsatz fiel um 7 % auf 6 Milliarden Franken, der operative Gewinn brach um 37 % ein. Der Reingewinn schrumpfte sogar um 39 %. Und das in einem Markt, der ohnehin unter Überkapazitäten, sinkenden Frachtpreisen und hartem Wettbewerb leidet.
Ein Weltkonzern auf Sparkurs
Kühne + Nagel will nun reagieren – und das rigoros. Bis zu 1.500 der weltweit rund 85.000 Arbeitsplätze sollen wegfallen. Damit spart der Konzern nach eigenen Angaben jährlich über 200 Millionen Franken ein. Zugleich sollen Abläufe automatisiert und Prozesse effizienter gestaltet werden – ein Versuch, die Kostenbasis zu senken, ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden.
Der Einschnitt trifft vor allem Verwaltung und Teile des Landverkehrsgeschäfts, während die margenstarken Sparten Seefracht und Kontraktlogistik stabiler laufen. Offiziell spricht das Management von einer „notwendigen Anpassung an das veränderte Marktumfeld“. Hinter den Kulissen aber ist klar: Die Margenkrise geht tiefer.
Wenn Stärke zur Last wird
Der starke Schweizer Franken, lange Symbol ökonomischer Stabilität, wird für Exporteure zunehmend zur Bürde. Während die Transportpreise in Dollar fakturiert werden, steigen die Kosten in Franken weiter – ein Wettbewerbsnachteil, der sich mit jedem Zinsentscheid der US-Notenbank verschärft.
Hinzu kommt die politische Dimension: Der Handelskrieg zwischen Washington und Peking hat eine Kettenreaktion ausgelöst, die selbst unbeteiligte Drittstaaten trifft. Güter, die früher über Asien und Nordamerika liefen, bleiben nun in den Häfen liegen oder werden über Umwege transportiert. Das verursacht Leerfahrten, höhere Fixkosten und ungenutzte Kapazitäten – das Worst-Case-Szenario für jeden Logistiker.
Kühnes Vermächtnis unter Druck
Klaus-Michael Kühne, der 88-jährige Mehrheitsaktionär, hat das Unternehmen seit Jahrzehnten geprägt – als Patriarch, Investor und Visionär. Nun steht sein Lebenswerk vor einem Stresstest. Auf dem Papier ist Kühne + Nagel ein Musterbeispiel für Stabilität: schuldenarm, global aufgestellt, hoch digitalisiert. Doch die geopolitische Unsicherheit lässt selbst solch solide Strukturen wackeln.
Intern heißt es, der Konzern müsse sich stärker von zyklischen Volumengeschäften lösen und profitablere Dienstleistungen – etwa in der Lieferketten-IT oder Pharmalogistik – ausbauen. Doch solche Transformationen dauern, während der Kostendruck sofort wirkt.
Zwischen Effizienz und Entfremdung
In der Belegschaft wächst der Unmut. Viele Mitarbeitende hatten gehofft, dass die Digitalisierung Arbeitsplätze absichert – nun scheint sie zum Vehikel des Abbaus zu werden. Gewerkschaften warnen vor „schleichender Entfremdung“ zwischen Management und Mitarbeitern, vor allem an Standorten in Deutschland und den Niederlanden.
Die Unternehmensführung betont, der Schritt sei alternativlos. „Wir müssen uns den neuen Realitäten anpassen, um langfristig erfolgreich zu bleiben“, heißt es aus Schindellegi, dem Firmensitz in der Schweiz. Das klingt nüchtern – aber in Zeiten, in denen Frachtraten einbrechen und politische Risiken zunehmen, ist es ein Statement der Notwendigkeit.

Die Logistikbranche im Stresstest
Kühne + Nagel steht mit seinen Problemen nicht allein. Auch Konkurrenten wie DSV, DB Schenker oder DHL spüren die schwächere Nachfrage im Transatlantikhandel. Die Branche, die jahrelang vom Globalisierungsturbo profitierte, steckt nun im strukturellen Wandel.
Während Containerpreise fallen, steigen Energie- und Versicherungskosten. Gleichzeitig zwingt der politische Druck auf Lieferketten – von CO₂-Bilanzen bis Sanktionen – die Logistikunternehmen zu Investitionen, die sich kurzfristig kaum rechnen.
Ein Signal für Europa
Die Schwäche von Kühne + Nagel ist mehr als eine Firmenmeldung. Sie ist ein Symptom für Europas Abhängigkeit von globalen Handelsströmen – und die Verletzlichkeit offener Märkte in Zeiten politischer Abschottung.
Wenn selbst eines der effizientesten Unternehmen der Branche ins Straucheln gerät, stellt sich eine größere Frage: Wie lange kann sich Europa den Luxus einer Weltwirtschaft leisten, die immer stärker von nationalen Interessen geprägt wird?
Das Management in Schindellegi wird darauf keine politische Antwort geben können. Aber eines steht fest: Ohne funktionierenden Welthandel gibt es keine stabile Logistik – und ohne stabile Logistik keine funktionierende Wirtschaft.


