Die deutsche Küchenindustrie steckt in einer tiefen Vertrauenskrise – und das nicht erst seit gestern. Während Hersteller wie Ballerina in Rödinghausen mit soliden Wachstumszahlen und internationaler Nachfrage glänzen, schrumpfen die Umsätze in der Breite dramatisch.
Nach dem pandemiebedingten Rekordjahr 2022 mit 6,2 Milliarden Euro ist die Branche im Sinkflug: 2024 lag der Umsatz nur noch bei 5,7 Milliarden Euro, für 2025 erwartet der Verband sogar nur 5,6 Milliarden.
Exportmärkte brechen ein
Besonders bitter sind die Rückgänge in den Auslandsmärkten. In den USA, lange Hoffnungsträger der Branche, sind die Exporte um 17 Prozent eingebrochen – ein direkter Effekt neuer US-Zölle von 15 Prozent.
Noch härter trifft es China: Dort sackten die Umsätze um 26 Prozent auf 28 Millionen Euro ab. Selbst in Frankreich, traditionell ein stabiler Abnehmer, lagen die Rückgänge bei mehr als vier Prozent.
Dabei ist der Export überlebenswichtig: Fast jede zweite Küche „Made in Germany“ geht mittlerweile ins Ausland. Die Exportquote ist von 38 Prozent (2016) auf 46 Prozent gestiegen. Doch das Fundament bröckelt.
Strukturelle Schwächen im Inland
Im Inland macht der Branche der Stillstand am Bau zu schaffen. Weniger Neubauten, Zurückhaltung beim Konsum und steigende Finanzierungskosten lassen die Nachfrage nach neuen Küchen schwinden. Auch die Fachkräftelücke verschärft sich. Mit verstaubtem Image und wenig Attraktivität für Auszubildende kämpft die Branche um Nachwuchs.
Die Zahl der Beschäftigten ist von 18.600 (2023) auf 17.700 gesunken. Gleichzeitig wächst die Abhängigkeit von Robotern – die aber qualifiziertes Personal erfordern, das kaum zu finden ist.
Hoffnungsträger Modernisierung
Ein gemeinsames Ausbildungszentrum in Löhne, in das die Hersteller 25 Millionen Euro investieren, soll das Blatt wenden. Die „Lehrfabrik“ bildet Produktionsprozesse realistisch ab und will junge Menschen für den Beruf begeistern. Branchenvertreter hoffen, damit das Image als verstaubter Sektor loszuwerden.
Brüsseler Bürokratie als Bremsklotz
Doch auch aus Brüssel droht Ungemach. Die EU-Entwaldungsverordnung zwingt ab 2026 alle Küchenhersteller, ihre Lieferketten lückenlos als entwaldungsfrei zu dokumentieren.
Das kostet Zeit und Geld: 60 Prozent der Unternehmen rechnen mit Zusatzkosten im sechsstelligen Bereich. Für viele Mittelständler könnte dies zur existenziellen Herausforderung werden.
Kein „Firmensterben“ – aber schmerzhafte Anpassung
Trotz allem sieht der Verband kein Massensterben voraus. Die Strukturen der Branche seien stabil, die Familienunternehmen meist finanziell solide. Insolvenzen kleiner Hersteller sind zwar nicht ausgeschlossen, eine große Welle jedoch unwahrscheinlich. Dennoch gilt: Ohne Investitionen in Modernisierung, Nachhaltigkeit und Fachkräfte bleibt der Druck hoch.
Die deutsche Küchenindustrie steht an einem Scheideweg. Zwischen Baukrise, globalem Handelsstreit und wachsendem Regulierungsdruck wird sich zeigen, welche Hersteller die Kraft zur Erneuerung aufbringen – und wer am alten Geschäftsmodell festhält.
