Die deutsche Regierung sieht sich aufgrund ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Übernahme von Commerzbank durch die italienische Bank UniCredit scharfer Kritik europäischer Entscheidungsträger und Wirtschaftsexperten ausgesetzt. Diese kritisieren, dass das protektionistische Vorgehen Deutschlands den grundlegenden Prinzipien der EU widerspreche.
"Die grenzüberschreitende Konsolidierung von Banken sollte nicht als politisches, sondern als technisches Thema gesehen werden," erklärte der Gouverneur der Bank von Griechenland, Yannis Stournaras, gegenüber der Financial Times. "Es sollte keine Rolle spielen, ob es sich um eine deutsche oder italienische Bank handelt. Wichtig ist allein die Stärke der europäischen Bank."
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich gegen die Übernahme der Commerzbank, dem zweitgrößten börsennotierten Kreditinstitut Deutschlands, durch UniCredit ausgesprochen, nachdem die italienische Bank ihren Anteil an Commerzbank von 9 Prozent auf 21 Prozent erhöht hatte, vorbehaltlich der Zustimmung der Regulierungsbehörden.
In der Woche zuvor hatte die deutsche Regierung beschlossen, keine weiteren Anteile an der Commerzbank mehr zu verkaufen, nachdem sie im September 4,5 Prozent in einem Nachbörsengeschäft an UniCredit veräußert hatte. Scholz betonte, dass "feindliche Übernahmen und unfreundliche Angriffe" für Banken nicht förderlich seien und die deutsche Regierung daher klar Stellung bezogen habe.
Der deutsche Finanzminister Christian Lindner äußerte ebenfalls Bedenken hinsichtlich einer feindlichen Übernahme gegenüber dem italienischen Finanzministerium. Friedrich Merz, Vorsitzender der deutschen Opposition CDU, nannte eine Fusion beider Banken ein "Desaster für den deutschen Bankenmarkt" und verwies auf Arbeitsplatzverluste nach der Übernahme der HypoVereinsbank durch UniCredit im Jahr 2005.
In Brüssel ging man davon aus, dass die deutsche Ablehnung einer möglichen Fusion im Widerspruch zur Unterstützung des Regierung für eine Kapitalmarktunion und zur Konsolidierung des EU-Bankensektors stehe. Ein ehemaliger EU-Kommissar meinte: "Es ist schwer nachzuvollziehen, wenn die deutsche Regierung ernsthaft europäische Integration und Bankenunion favorisiert."
Stournaras ergänzte, dass Europas Bankensektor durch nationale Grenzen fragmentiert sei, wohingegen US-Banken durch ihre größere Größe und den integrierten Heimatmarkt besser performen. Er forderte europäische Bankenchampions, die gegen amerikanische Konkurrenten bestehen könnten.
Ein italienischer Kabinettsminister bezeichnete das Vorgehen Berlins als "heuchlerisch" angesichts der kürzlichen Übernahme der kriselnden italienischen Fluggesellschaft Ita Airways durch Lufthansa, die von Rom genehmigt wurde.
Auch in Brüssel stieß die deutsche Haltung auf Unverständnis. Ein ranghoher EU-Diplomat merkte kritisch an, dass Scholz kurz nach einem Bericht des früheren EZB-Präsidenten Mario Draghi gegen die Übernahme Position bezogen habe, der die Kapitalmarktunion und Fusionen zur Schaffung widerstandsfähigerer Unternehmen befürwortet.
Ein Sprecher der Europäischen Kommission gab an, dass Einschränkungen nur dann zulässig seien, wenn sie verhältnismäßig und auf legitimen Interessen basierten und nicht rein wirtschaftlich begründet sein dürften.
Auch in Deutschland wurde das Vorgehen der Scholz-Regierung hinterfragt. So kritisierte Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft, dass deutsche Entscheidungsträger scheinbar nicht ausreichend wüssten, was eine Kapitalmarktunion und ein Binnenmarkt tatsächlich bedeuteten.