23. Juni, 2025

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Krieg ohne Kriegserklärung? Was der US-Angriff auf Irans Nuklearanlagen bedeutet

Die Vereinigten Staaten haben in der Nacht zum Sonntag mit einer beispiellosen Militäraktion drei iranische Atomanlagen bombardiert. Washington spricht von einem gezielten Präventivschlag.

Krieg ohne Kriegserklärung? Was der US-Angriff auf Irans Nuklearanlagen bedeutet
Die eingesetzte Bunkerbrecher-Bombe GBU-57 hat eine maximale Eindringtiefe von 60 Metern in Beton. Laut US-Militärs wurden mindestens sechs dieser Bomben auf Fordo abgeworfen. Ob das genügte, die Anlage zu zerstören, ist unklar.

Der Schlag kam nachts – und aus der Luft

Ohne Vorwarnung, ohne UN-Mandat, ohne öffentliche Debatte: In der Nacht auf Sonntag griffen die USA mit B-2-Tarnkappenbombern drei zentrale iranische Nuklearanlagen an – Fordo, Natanz und Isfahan.

Der Angriff erfolgte nach tagelanger Vorbereitung und in enger Abstimmung mit Israel, das im Vorfeld iranische Luftabwehrstellungen ausgeschaltet hatte.

US-Präsident Trump nannte den Einsatz „einmalig“ – und gleichzeitig eine „klare Botschaft“ an Teheran. Es war ein Angriff mit chirurgischer Präzision und geopolitischer Wucht. Die Frage ist nur: Was kommt jetzt?

Fordo – das Zentrum des Verdachts

Im Mittelpunkt des Einsatzes stand die Nuklearanlage in Fordo, tief unter dem Gebirge bei Qom gelegen. Jahrzehntelang geheim, heute Symbol für Irans geheimes Atomprogramm.

Dort stehen Zentrifugen vom Typ IR-6, deren Betrieb laut Atomabkommen untersagt ist. Hier fanden IAEA-Inspektoren Uran mit 83,7 Prozent Anreicherung – ein Wert, der fast dem für Atomwaffen entspricht.

Das Problem: Fordo liegt bis zu 90 Meter unter der Erde. Selbst die stärkste konventionelle Bombe der Welt, die GBU-57, hat eine maximale Eindringtiefe von 60 Metern. Ob der Angriff die Anlage tatsächlich zerstört hat, ist derzeit offen.

Militärische Macht – mit politischem Risiko

Was der Angriff militärisch leistet, ist eindrucksvoll. Doch seine politische Wirkung ist schwer kalkulierbar.

Die Urananreicherungsanlage Fordo liegt tief im Fels bei Qom, bis zu 90 Meter unter der Erde. 2009 wurde ihre Existenz erst durch westliche Geheimdienste aufgedeckt – heute gilt sie als strategisches Herzstück des iranischen Atomprogramms.

Der Iran reagierte prompt: Außenminister Araghtschi sprach auf X von einem „ungeheuerlichen Angriff“ mit „dauerhaften Folgen“. In Teheran kursieren bereits erste Entwürfe für Vergeltungsschläge – gegen Israel, gegen US-Basen in der Golfregion, gegen Energieinfrastruktur.

Daniel Shapiro, früherer US-Botschafter in Israel, warnt: „Der Iran wird nicht stillhalten.“ Schon 2020 reagierte das Regime nach der Tötung von General Soleimani mit Raketenangriffen auf US-Stützpunkte. Heute stehen ihm mehr Waffen zur Verfügung – und weniger Rückhalt im Westen.

Der Iran kann reagieren – aber nicht überall

Tatsächlich verfügt Teheran über ein umfangreiches Arsenal: Tausende Kurz- und Mittelstreckenraketen, Drohnenschwärme, ballistische Systeme mit Reichweite bis Israel.

Doch viele Abschussrampen wurden bei israelischen Angriffen bereits zerstört. Und die meisten Raketen erreichen nicht die strategische Tiefe, um etwa US-Basen auf Diego Garcia oder in Europa zu treffen.

Realistisch ist daher ein Gegenschlag auf US-Militärstützpunkte am Golf. Bahrain, Katar, Kuwait, die Emirate – alle liegen in Reichweite iranischer Raketen. Und alle sind verwundbar.

Straße von Hormus – das globale Nadelöhr

Eine weitere Drohkulisse: die Meerenge von Hormus. 20 Prozent des weltweiten Ölhandels passieren hier täglich. Der Iran hat bereits in der Vergangenheit Tanker angegriffen, vermint oder gekapert.

Eine ernsthafte Blockade könnte nicht nur die Region, sondern die Weltwirtschaft treffen – mit unmittelbaren Folgen für Energiepreise, Inflation und geopolitische Stabilität.

Doch auch das birgt Risiken: Die USA haben in der Vergangenheit – etwa 1988 mit „Operation Praying Mantis“ – deutlich gemacht, dass sie den freien Seehandel notfalls militärisch sichern. Damals zerstörte die US Navy binnen Stunden einen Großteil der iranischen Marine.

Der nukleare Schatten bleibt

Das Szenario einer nuklearen Eskalation steht weiter im Raum – auch wenn es derzeit nicht wahrscheinlich ist. Zwar verfügt der Iran laut IAEA über ausreichend hochangereichertes Uran, doch der Sprung zur funktionsfähigen Atombombe ist technologisch komplex und diplomatisch riskant.

Ein Test, ein geheimes Atomwaffenprogramm oder gar ein nuklearer Anschlag auf Israel wären Eskalationen, die den Rückhalt selbst in Teilen der arabischen Welt kosten würden. Und vermutlich den Beginn eines Krieges mit unklarem Ausgang bedeuten.

Proxys und Milizen – der verlängerte Arm Teherans

Die Revolutionsgarde hat in der Region viele Stellvertreter: schiitische Milizen im Irak, die libanesische Hisbollah, die Huthis im Jemen. Alle könnten nun aktiviert werden, um Ziele in Israel oder auf der arabischen Halbinsel anzugreifen.

Die Gefahr: Diese Gruppen handeln oft autonom – jenseits diplomatischer Kontrolle. Eine falsche Entscheidung könnte aus einem begrenzten Konflikt einen regionalen Flächenbrand machen.

Die USA sind im Krieg – auch wenn niemand es so nennt

Washingtons Angriff war kein symbolischer Schlag, sondern eine gezielte Zerstörung zentraler Infrastrukturen. Damit sind die USA de facto Kriegspartei – auch wenn sie es vermeiden, es so zu nennen.

Die iranische Führung weiß das. Und sie wird ihre Antwort sorgfältig wählen – mit Blick auf die eigene Bevölkerung, die internationale Bühne und das Ziel, das Gesicht zu wahren, ohne alles zu verlieren.

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