04. Dezember, 2025

Wirtschaft

Krankenkassen erhöhen den Druck auf den Bund

Die DAK will den Staat wegen ausbleibender Milliarden für Bürgergeldempfänger verklagen – und warnt vor weiter steigenden Beiträgen.

Krankenkassen erhöhen den Druck auf den Bund
Die DAK zieht vor Gericht, weil der Bund die Gesundheitskosten von Bürgergeldempfängern aus ihrer Sicht unzureichend finanziert.

Die Auseinandersetzung zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und der Bundesregierung erreicht eine neue Eskalationsstufe. DAK-Chef Andreas Storm kündigt an, noch heute Klage beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen einzureichen. Der Vorwurf wiegt schwer: Der Bund zahle seit Jahren zu wenig für die Gesundheitsversorgung von Bürgergeldempfängern – und zwinge damit Millionen Versicherte zu höheren Beiträgen.

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Der Konflikt dreht sich um eine Finanzierungslücke in Milliardenhöhe

Für Menschen im Bürgergeldbezug überweist der Bund den Krankenkassen derzeit eine monatliche Pauschale von 133,17 Euro. Dieser Betrag deckt die tatsächlichen Kosten nach Einschätzung der Branche bei weitem nicht. Ein Gutachten bezifferte bereits für 2022 die realen Ausgaben auf nahezu das Dreifache. Die Folge: Jahr für Jahr baut sich ein Defizit auf, das die Solidargemeinschaft trägt.

Der GKV-Spitzenverband spricht von einer Unterdeckung von rund zehn Milliarden Euro jährlich – eine Summe, die nach seiner Ansicht dem Grundprinzip der beitragsfinanzierten Krankenversicherung widerspricht. Hätte der Bund die fehlenden Mittel gezahlt, so Storm, könnten die Beiträge 2026 stabil bleiben. Die Rede ist von einer möglichen Entlastung um 0,5 Beitragspunkte.

Die Kassen argumentieren mit Systemgerechtigkeit und Belastungsgrenzen

Das Finanzloch verschärft eine ohnehin angespannte Lage. 2024 rechnen die Kassen mit einem Defizit von 6,2 Milliarden Euro. Bereits zum Jahresbeginn mussten die Beiträge so stark angehoben werden wie seit Jahrzehnten nicht. Die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds fiel im Frühjahr unter die gesetzliche Mindestgrenze; der Bund musste mit einem Zusatzbetrag einspringen.

Für die Kassen ist die Unterfinanzierung der Bürgergeldbezieher ein strukturelles Problem. Während die Leistungen für diese Versichertengruppe identisch mit denen regulär Versicherter sind, basieren die zugewiesenen Mittel nicht auf realen Kosten. Die Krankenkassen sehen darin eine verdeckte Kostenabwälzung, die die Beitragszahler überproportional trifft.

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Politische Brisanz entsteht auch durch die Zusammensetzung der Versichertengruppe

Die Debatte ist zusätzlich aufgeladen, weil ein großer Teil der Bürgergeldbezieher aus dem Ausland stammt. Nach Angaben der Sozialträger handelt es sich um knapp die Hälfte. Für die Kassen spielt diese Tatsache in ihrer Argumentation offiziell keine Rolle; im politischen Raum aber verstärkt sie die Aufmerksamkeit, die die Klagewelle auslöst. Die Frage, wer welche Lasten im Sozialstaat trägt, gewinnt damit neue Schärfe.

Die Klagewelle wird zu einem Test für das Verhältnis zwischen Bund und Krankenkassen

Die DAK schließt sich mit ihrer Klage mehreren Vorgängern an. Schon im September hatte der GKV-Spitzenverband den Rechtsweg beschritten. Die Strategie dahinter ist transparent: Die Kassen wollen gerichtlich feststellen lassen, dass der Bund seiner Finanzierungspflicht nicht nachkommt. Damit erhoffen sie sich nicht nur kurzfristige Entlastung, sondern auch langfristig eine Neuordnung der Pauschalen.

politisch ist der Konflikt heikel. Die Regierung steht zwischen der Pflicht zu solider Haushaltsführung und dem Druck eines Gesundheitssystems, das angesichts steigender Ausgaben und demografischer Veränderungen kaum Spielraum hat. Eine Anpassung der Pauschalen würde sofort Milliarden kosten – eine Entscheidung, die mitten in der Haushaltsplanung zusätzliche Spannungen erzeugt.

Der Streit zeigt, wie fragil die Finanzarchitektur der GKV geworden ist

Die Klage der DAK ist mehr als eine juristische Formalie. Sie markiert den Punkt, an dem eine der größten Krankenkassen des Landes öffentlich erklärt, dass das bestehende Finanzierungsmodell nicht mehr trägt. Für Versicherte ist das ein Warnsignal: Steigen die Kosten weiter, drohen erneut höhere Beiträge. Für die Politik ist es ein Hinweis, dass eine der zentralen Säulen des Sozialstaats auf Verschleiß arbeitet.

Es gehört eine gewisse Ironie dazu, dass der Konflikt an einer vergleichsweise kleinen Pauschale pro Monat sichtbar wird. Doch genau in dieser Lücke zwischen politischer Festlegung und realer Versorgungspraxis zeigt sich die Bruchstelle eines Systems, das jahrelang über seine Belastungsgrenze hinaus operiert.

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