Die InvestmentWeek hat umfassend zu den jüngsten Korruptionsvorwürfen gegen Mitarbeiter der NATO Support and Procurement Agency (NSPA) recherchiert.
Unsere Analysen zeigen: Die Affäre ist kein Einzelfall, sondern könnte zum größten Beschaffungs-Skandal der Allianz werden – mit Risiken für Budgets, Glaubwürdigkeit und Sicherheitspolitik.
Geheime Informationen gegen Schmiergeld
In Belgien laufen seit Mai 2025 Ermittlungen gegen aktuelle und ehemalige NSPA-Mitarbeiter. Ihnen wird vorgeworfen, vertrauliche Vergabeinformationen zu Rüstungsaufträgen – etwa für Drohnen und Munition – an ausgewählte Unternehmen weitergegeben zu haben.
Im Gegenzug sollen sie Bestechungsgelder erhalten und über fingierte Beratungsfirmen gewaschen haben. Zwei Verdächtige wurden festgenommen, mindestens einer befindet sich in Haft.
Die Untersuchungen erstrecken sich auf mehrere NATO-Staaten: Belgien führt die Ermittlungen koordiniert über Eurojust, weitere Verfahren gibt es in Luxemburg, Spanien und den Niederlanden.
Dort wurden ebenfalls Personen festgenommen, darunter ein 58-jähriger Ex-Mitarbeiter des niederländischen Verteidigungsministeriums.

NSPA – Pflicht zur Beschaffung oder Druckstelle für Manipulationen?
Die NSPA mit Sitz in Luxemburg und rund 1.500 Beschäftigten wickelt im Auftrag der NATO Mitgliedsstaaten zentrale Beschaffungen ab – vom Treibstoff bis zu Logistik und Flugabwehrsystemen.
Die Vorwürfe treffen damit direkt die materiellen Grundlagen der Allianz: Ein Netzwerk aus Mitarbeiterinnen, die über Ausschreibungen informiert wurden, könnte dem Prinzip gemeinsamer Rüstung vorgenommen haben.
Laut einem belgischen Ermittlungsbericht wurden für eine Hafenverwaltungs-Ausschreibung Anfang 2024 insgesamt 200.000 US-Dollar Bestechung angeboten – und tatsächlich über mehrere Tranchen verteilt, auch bar übergeben: 30.000 Dollar im Januar 2025 in einem Hotelrestaurant.
Unruhe im Management – US-Spitze involviert?
Während die Ermittler national agieren, steht zunehmend auch interne Führung der NSPA im Fokus. Medienberichten zufolge wirft man der derzeitigen Chefin Stacy Cummings, einer früheren Pentagon-Managerin, vor, Hinweise auf Unregelmäßigkeiten ignoriert oder interne Warnungen nicht ernst genug behandelt zu haben.
Cummings bestreitet den Vorwurf. Bislang hat die NATO sich offiziell nicht zu ihrer konkreten Rolle geäußert, verweist aber auf die Anti-Korruptionsmechanismen der Behörde.
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Der internationale Rahmen: Eurojust und europaweite Ermittlungen
Die EU-Behörde Eurojust koordiniert die Strafverfolgung über mehrere Mitgliedsstaaten hinweg. In Belgien, Luxemburg, Spanien, den Niederlanden und zunehmend Italien wurden Beweise gesichert, Dokumente beschlagnahmt und Verdächtige verhört oder verhaftet.
Auch im Fall Niederlande sind zwei weitere Nicht-Beamte involviert, die mit dem Fahndungszentrum am Flughafen Schiphol festgenommen wurden.
Was bedeutet das für NATO und ihre Glaubwürdigkeit?
Die Bedeutung dieser Ermittlungen ist nicht zu unterschätzen: In einer Phase massiv steigender Verteidigungsausgaben innerhalb der Allianz – u. a. getrieben durch Russlands Krieg gegen die Ukraine – gewinnt Transparenz bei Beschaffungen existenzielle Bedeutung.
NATO-Generalsekretär Mark Rutte bekräftigte mehrfach, die Organisation arbeite eng mit den Strafverfolgungsbehörden zusammen:
„Wir wollen der Sache auf den Grund gehen.“
Statt nur zu reagieren: Strukturreformen dringend notwendig
Die Affäre zeigt: Ein System, das milliardenschwere Käufe zentralisiert, darf sich nicht auf Selbstregulierung verlassen.
Auch wenn die NSPA die Untersuchungen selbst eingeleitet haben soll, bleibt fraglich, ob die internen Mechanismen ausreichend waren. Offen ist auch, ob künftig externe Prüfinstanzen und Transparenzregeln verpflichtend werden – inklusive rotierender Kontrolle und stärkerer parlamentarischer Aufsicht.
Ein Systemrisiko adelnder Institution
Korruption im Rüstungsbereich ist kein Kleinstvergehen – sie gefährdet Effizienz, Vertrauen und politische Legitimität. Wenn internationale Institutionen wie NATO-Mitglieder, Subunternehmer und nationale Behörden betroffen sind, wächst die Komplexität der Aufarbeitung. Transparenz wird zum strategischen Faktor – nicht nur moralisch, sondern auch finanziell.
Dieser Skandal könnte zum Prüfstein werden: Offenheit und Aufklärung sind nicht nur politisch notwendig. Sie sind zentral für das Vertrauen in eine Allianz, deren Handeln globale Auswirkungen hat.
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