94,2 Punkte im Juni: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht Anzeichen für einen möglichen Wendepunkt der deutschen Konjunktur. Ist das der erste Lichtblick nach zwei Jahren Flaute – oder nur eine Momentaufnahme?

Das Barometer steigt, aber das Fundament wackelt
Zum zweiten Mal in Folge meldet das DIW einen deutlichen Anstieg seines Konjunkturbarometers. Mit 94,2 Punkten erreicht der Frühindikator im Juni den höchsten Wert seit zwei Jahren.
Das klingt vielversprechend, liegt aber weiterhin unter der neutralen 100-Punkte-Marke – also noch immer unter dem Niveau, das einem normalen Wachstum entspricht.
Die DIW-Konjunkturchefin Geraldine Dany-Knedlik sieht dennoch positive Impulse. "Die Zeichen für die deutsche Konjunktur stehen auf Erholung", erklärte sie am Mittwoch. Vor allem das jüngst verabschiedete Fiskalpaket der Bundesregierung, eine sinkende Inflation und die geldpolitische Lockerung der EZB sollen zur Stabilisierung beitragen.

Fiskalpolitik als Hoffnungsträger
Besonders der Staat scheint aktuell als Konjunkturmotor gefragt zu sein. Das umfassende Ausgabenpaket der Bundesregierung zielt darauf, Investitionen zu fördern, Anreize für Unternehmen zu schaffen und private Haushalte zu entlasten.
Guido Baldi vom DIW sieht darin eine zentrale Kraft:
"Kräftige Impulse aus der Finanzpolitik und stabilere innenpolitische Verhältnisse tragen dazu bei."
Gleichzeitig steigt die Bedeutung der Binnennachfrage, denn die Weltwirtschaft bleibt schwach, und geopolitische Unsicherheiten bremsen den Handel. Das Risiko eines neuen transatlantischen Handelskonflikts ist nicht vom Tisch: Die Androhung von US-Zöllen auf EU-Importe lässt Exportfirmen zögern.
Zaghafte Trendwende oder trügerisches Signal?
Trotz der positiven Dynamik warnt das DIW vor Euphorie. Denn die strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft sind nicht verschwunden. Die Energiepreise bleiben hoch, die Industrie klagt weiter über Auftragsflauten und Fachkräftemangel. Auch die schleppende Digitalisierung und ein massiver Investitionsstau in Infrastruktur dämpfen den Aufschwung.
Hinzu kommen externe Risiken: Kriege, schwache globale Nachfrage, ein möglicher Abschwung in China – all das kann jeden wirtschaftlichen Hoffnungsschimmer rasch überschatten.
Zukunft bleibt offen – Daten allein sind keine Erholung
Das DIW-Barometer liefert ermutigende Zahlen, doch sie stehen auf einem noch wackligen Fundament. Viel wird davon abhängen, ob Politik und Unternehmen den Aufschwung aktiv gestalten oder ihn als statistischen Ausreißer abtun.
Die nächsten Monate werden zeigen, ob es sich um eine echte Trendwende handelt – oder um das kurze Aufflackern in einem längeren, wirtschaftlich schwierigen Jahrzehnt.
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