13. Oktober, 2025

Politik

Klingbeil geht mit Deutschlands maroder Infrastruktur hart ins Gericht

500 Milliarden Euro liegen bereit, doch es passiert zu wenig: Bundesfinanzminister Lars Klingbeil fordert in der ARD mehr Tempo bei der Modernisierung Deutschlands – und kritisiert offen den Umgang der Länder mit den Fördergeldern.

Klingbeil geht mit Deutschlands maroder Infrastruktur hart ins Gericht
Vom 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz sind bislang weniger als 15 Prozent tatsächlich abgeflossen. Die Länder geben Mittel nur zögerlich weiter, während Projekte auf kommunaler Ebene im Antragsverfahren steckenbleiben.

Ein Satz, der hängen bleibt

„Wir haben eine Infrastruktur, die einem ja peinlich ist.“
Mit diesem Satz hat Lars Klingbeil am Sonntagabend in der ARD-Sendung Caren Miosga das ausgesprochen, was viele seit Jahren denken, aber selten jemand in dieser Klarheit sagt. Der Bundesfinanzminister redete nicht um den heißen Brei: Straßen, Brücken, Bahnstrecken, digitale Netze – Deutschland ist in vielen Bereichen auf dem Stand der frühen 2000er stecken geblieben.

Klingbeils Diagnose ist eindeutig. Und sie trifft ins Mark. Denn sie entlarvt ein Land, das sich immer noch für seine Ingenieurskunst rühmt, während Brücken bröckeln und ICEs auf maroden Gleisen stehen.

Das Milliardenpaket – und der Stillstand

500 Milliarden Euro. So viel hat die Bundesregierung in ein Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz gepackt – ein gigantisches Programm, das die Grundlage für den „neuen Aufbruch“ bilden soll.

100 Milliarden davon stehen direkt den Ländern zu. Doch genau dort hakt es. Das Geld kommt bei den Kommunen nicht an. Projekte bleiben liegen, Genehmigungen dauern, Verfahren stocken.

Klingbeil ist sichtlich genervt. „Ich hätte mir gewünscht, dass 60 Prozent des Länderanteils direkt an die Städte und Gemeinden gehen“, sagte er. Das habe sogar im ursprünglichen Gesetzesentwurf gestanden. Doch die Länder hätten das geschlossen abgelehnt.

Sein Unterton war eindeutig: Der Bund liefert, die Länder bremsen.

Die Deutsche Bahn schätzt den Investitionsbedarf bis 2030 auf mehr als 80 Milliarden Euro. Dennoch werden Sanierungsprojekte immer wieder verschoben. 2024 erreichten die Pünktlichkeitswerte im Fernverkehr mit unter 64 Prozent ein neues Tief – ein sichtbares Zeichen des Infrastrukturverfalls.

Deutschland und das Problem mit der Geschwindigkeit

„Wir brauchen ein anderes Tempo in Deutschland“, mahnte Klingbeil mehrfach. Der Satz klingt banal – und ist doch das Kernproblem.
Denn Tempo ist in Deutschland mittlerweile ein Fremdwort.

Ein Bauprojekt gleicht einem Marathon durch Amtsstuben. Die Planungszeiten für neue Straßen oder Bahnstrecken sind absurd lang. Ein Brückenbau dauert im Schnitt über ein Jahrzehnt. Selbst kleinere Maßnahmen, wie der Austausch einer Ampelanlage, können sich über Jahre ziehen – weil Genehmigungen fehlen oder Zuständigkeiten unklar sind.

Während andere Länder längst digital planen, wird hierzulande noch in Papierordnern geblättert.

Das Geld ist da – aber die Strukturen fehlen

Das Paradoxe: Geld ist kein Problem. Noch nie stand so viel zur Verfügung wie jetzt. Aber der Apparat, der es verteilen soll, ist überfordert.

Fördertöpfe, Anträge, Nachweise, Prüfverfahren – kaum ein Bürgermeister blickt noch durch. In Deutschland gibt es mehr als 6.000 verschiedene Förderprogramme. Jedes mit eigenen Regeln, Fristen und Formularen.

Das Ergebnis: Viele Kommunen lassen die Mittel lieber liegen, weil sie schlicht keine Kapazitäten haben, sich durch den Bürokratiedschungel zu kämpfen.

Der Bund wiederum verweist auf die Länder, die Länder auf die Gemeinden – und am Ende bleibt alles, wie es ist.

Der Fall Saarbrücken: Wenn Bürokratie Fortschritt frisst

Ein Beispiel, das derzeit bundesweit Schlagzeilen macht, ist Saarbrücken. Dort sollte ein Teil der Mittel für die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude genutzt werden. Doch der Antrag wurde zu spät eingereicht – und fiel damit durchs Raster.

Das Projekt liegt auf Eis, obwohl das Geld längst genehmigt war. Ein Verwaltungsfehler, der symptomatisch ist für ein System, das jede Dynamik ausbremst.

Und während die Formulare sortiert werden, verliert Deutschland weiter an Substanz.

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Klingbeils riskanter Weckruf

Dass der Finanzminister das Wort „peinlich“ benutzt, ist kein Zufall. Es ist kalkuliert – und mutig. In einer politischen Kultur, in der Fehler lieber verwaltet als benannt werden, wirkt Klingbeils Offenheit fast schon unorthodox.

Doch der Druck wächst. Deutschland rutscht in internationalen Wettbewerbsvergleichen ab, Investoren beklagen lähmende Verfahren, Unternehmen ziehen sich aus Regionen zurück, in denen der Ausbau von Infrastruktur einfach zu lange dauert.

Klingbeil will das ändern – und weiß, dass er sich damit keine Freunde macht. Weder bei den Ländern noch in den eigenen Reihen.

Peinlich? Ja. Aber auch eine Chance.

So unangenehm das Wort ist – es könnte der richtige Impuls sein. „Peinlich“ ist nicht nur eine Beschreibung, sondern auch ein Weckruf. Einer, der endlich Bewegung bringen könnte in eine Diskussion, die sich seit Jahren im Kreis dreht.

Denn wenn Deutschland eines kann, dann auf Krisen reagieren – sobald sie nicht mehr zu leugnen sind. Klingbeil hat sie jetzt offen benannt.

Ob daraus ein echter Neustart wird, hängt nicht von einem Minister ab. Sondern davon, ob Bund, Länder und Kommunen bereit sind, Verantwortung zu teilen – und Geschwindigkeit endlich als politische Tugend zu begreifen.

Deutschlands größtes Projekt ist die eigene Erneuerung

500 Milliarden Euro sind ein gigantischer Hebel. Aber ohne Mut zur Vereinfachung, ohne Abbau von Bürokratie und ohne Vertrauen in die kommunale Ebene bleibt er wirkungslos.

Klingbeils Auftritt war mehr als eine Mahnung – er war ein Warnsignal. Deutschland kann sich seinen Stillstand nicht länger leisten.

Und vielleicht ist genau das der Moment, an dem Politik begreift: Nicht das Geld ist knapp – die Zeit ist es.

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