07. August, 2025

Technologie

Karlsruher Urteil: Staatstrojaner als verfassungswidrig erklärt

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer wegweisenden Entscheidung die weitreichenden Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden bei der Nutzung von Staatstrojanern als teilweise verfassungswidrig erklärt. Der Erste Senat des Gerichts rief die rechtliche Nichtigkeit der sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) für Straftaten mit einer maximalen Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren aus. Diese Entscheidung gilt rückwirkend und könnte weitreichende Konsequenzen für laufende und abgeschlossene Strafverfahren haben. Während die Hintergründe der geheimen Online-Durchsuchung von digitalen Geräten ebenfalls untersucht werden, dürfen diese Maßnahmen bis zu einer gesetzlichen Neuregelung vorläufig weiter durchgeführt werden.

Die Staatstrojaner, spezielle Softwareprogramme, die unbemerkt auf den Geräten von Verdächtigen installiert werden, hatten seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2017 der Polizei ermöglicht, auch verschlüsselte Kommunikation über Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Telegram zu überwachen. Darüber hinaus konnten sämtliche auf den Geräten gespeicherten Daten analysiert werden. Das Gericht argumentierte jedoch, dass derartige Eingriffe in die Privatsphäre die Grundrechte der Bürger verletzen und nur bei schwerwiegenden Straftaten in Betracht gezogen werden dürften.

In seiner Urteilsbegründung legte das Gericht großen Wert auf die Schwere der verfolgten Straftaten als entscheidendes Kriterium. Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder sogar nur mit einer Geldstrafe geahndet werden, gelten nicht als schwere Verbrechen und rechtfertigen nicht den Einsatz solch invasiver Überwachungsmaßnahmen. Die Verhältnismäßigkeit staatlicher Überwachung müsse immer gewahrt bleiben, so das Gericht.

Der Entscheidung des Gerichts ging eine Reihe von Verfassungsbeschwerden voraus, unter anderem initiiert vom Verein Digitalcourage. Der Verein kritisierte die staatliche Nutzung von Sicherheitslücken zum Installieren von Staatstrojanern, da diese Schwachstellen zugleich ein Einfallstor für Kriminelle darstellen könnten. Digitalcourage argumentierte, dass die Praxis die staatliche Schutzpflicht untergrabe und die Sicherheit der Bürger gefährde.

Aktuellen Zahlen des Bundesamts für Justiz zufolge wurden im Jahr 2023 insgesamt 104 richterliche Anordnungen zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung erteilt, wovon 62 tatsächlich umgesetzt wurden. Von den 26 angeordneten Online-Durchsuchungen wurden nur sechs durchgeführt. Der Großteil dieser Maßnahmen betraf Verdachtsmomente im Zusammenhang mit der Bildung krimineller Vereinigungen. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts könnte nun zu einem erheblichen Rückgang der Nutzung solcher Maßnahmen führen und verlangt eine Neubewertung durch den Gesetzgeber.