Die Zahlen lassen wenig Interpretationsspielraum. TUI hat im Geschäftsjahr 2025 mehr verdient als je zuvor, schüttet erstmals seit der Krise wieder eine Dividende aus – und zwingt Analysten, ihre Modelle nachzuschärfen. Was lange als Turnaround-Wette galt, entwickelt sich zunehmend zu einer Normalisierungsstory mit Wachstumsperspektive.
Operative Stärke ersetzt den Krisenmodus
Das bereinigte EBIT von 1,46 Milliarden Euro markiert einen historischen Höchstwert. Gegenüber dem Vorjahr entspricht das einem Zuwachs von 12,6 Prozent. Auch auf der Umsatzseite liefert TUI ab: 24,2 Milliarden Euro bedeuten ein Plus von 4,4 Prozent. Getragen wird das Wachstum von steigenden Passagierzahlen, die mit 34,7 Millionen Reisenden um fünf Prozent zulegten.
Wichtiger als einzelne Kennzahlen ist jedoch das Gesamtbild. TUI hat seine Ertragsbasis verbreitert, Kostenstrukturen stabilisiert und das Geschäft robuster aufgestellt. Hotels, Kreuzfahrten und Veranstaltergeschäft tragen wieder verlässlich zum Ergebnis bei. Die extreme Abhängigkeit von einzelnen Saisonverläufen ist deutlich geringer als vor der Pandemie.

Die Dividende sendet ein klares Signal
Mit der geplanten Ausschüttung von 0,10 Euro je Aktie kehrt TUI in den Kreis dividendenzahlender Konzerne zurück. In absoluten Zahlen ist das überschaubar, in der Signalwirkung nicht. Dividendenfähigkeit steht für finanzielle Normalität, Planbarkeit und Vertrauen in die eigene Bilanz.
Nach Jahren der Kapitalerhöhungen, Staatshilfen und Restrukturierungen markiert dieser Schritt einen mentalen Wendepunkt – für Investoren ebenso wie für den Markt insgesamt.
Analysten korrigieren ihre Erwartungen nach oben
Die Neubewertung beginnt in den Research-Abteilungen. JPMorgan hebt das Kursziel auf 13,50 Euro an und bestätigt die Einstufung „Overweight“. Die Argumentation ist klar: steigende Margen, fortschreitender Schuldenabbau und eine Ertragskraft, die im aktuellen Kursniveau nicht vollständig reflektiert sei.
Auch die Deutsche Bank zieht nach und erhöht ihr Kursziel auf 12,00 Euro bei einer Kaufempfehlung. Der Analystenkonsens bewegt sich damit deutlich oberhalb des aktuellen Kurses.

Dass die Aktie nach Vorlage der Zahlen zunächst nicht ansprang, wirkt rückblickend weniger wie Skepsis gegenüber dem Geschäftsmodell als wie eine klassische Gewinnmitnahme. Fundamentale Zweifel lassen sich aus den Kommentaren der großen Häuser kaum herauslesen.
Der Markt bleibt hinter den Fundamentaldaten zurück
Mit einem Schlusskurs von 8,19 Euro notiert die Aktie klar unter den neuen Zielmarken. Zwar liegt sie rund neun Prozent über dem 200-Tage-Durchschnitt und etwa 40 Prozent über dem 52-Wochen-Tief, doch zum Hoch fehlen noch rund zwölf Prozent.
Der Markt preist damit zwar die Stabilisierung ein, nicht aber das volle Ertragspotenzial. Genau hier setzt die Neubewertungsdebatte an. Wenn das Rekordergebnis kein Ausreißer war, sondern die neue Basis, wirkt das aktuelle Bewertungsniveau defensiv.
Der Ausblick untermauert die neue Erzählung
Für 2026 stellt der Vorstand weiteres Wachstum in Aussicht. Der Umsatz soll währungsbereinigt um zwei bis vier Prozent zulegen, das bereinigte EBIT um sieben bis zehn Prozent steigen. Damit würde TUI nicht nur das hohe Niveau halten, sondern weiter ausbauen.
Entscheidend ist die Qualität dieses Wachstums. Hotels & Resorts sowie das Kreuzfahrtgeschäft gelten als margenstark und vergleichsweise konjunkturresistent. Genau diese Segmente sollen die Profitabilität weiter stabilisieren.
Technisch zeigt sich die Aktie weder überhitzt noch unter Druck. Der RSI liegt im neutralen Bereich, die Volatilität bleibt beherrschbar. Das spricht für Spielraum in beide Richtungen – allerdings mit klarer fundamentaler Unterlegung nach oben.
Eine Neubewertung mit offenem Ausgang
TUI hat geliefert. Operativ, bilanziell und kommunikativ. Rekord-EBIT, Dividendenrückkehr und ein belastbarer Ausblick verändern die Ausgangslage für die Aktie. Die Analysten haben darauf reagiert, der Markt bislang nur teilweise.
Ob sich die Lücke zwischen Kurs und Kurszielen schließt, hängt weniger von makroökonomischen Faktoren ab als von der Fähigkeit des Konzerns, das prognostizierte EBIT-Wachstum zu bestätigen. Gelingt das, dürfte aus der Turnaround-Geschichte endgültig eine Ertragsstory werden – mit entsprechender Konsequenz für die Bewertung.



