Jimmy Kimmel wählt für seine Weihnachtsbotschaft keinen versöhnlichen Ton. Statt Kerzenlicht und Zuversicht liefert der US-Satiriker eine politische Kampfansage. In der vom britischen Sender Channel 4 ausgestrahlten Ansprache spricht Kimmel von einer „boomenden Tyrannei“ in den Vereinigten Staaten und zeichnet das Bild eines Landes, das sich gefährlich schnell von demokratischen Grundsätzen entfernt.
Die Rede läuft nur Stunden nach der traditionellen Weihnachtsansprache von Charles III – und erfüllt genau den Zweck, für den Channel 4 diese alternative Botschaft seit Jahrzehnten etabliert hat: Kontrast, Provokation, politische Zuspitzung.
Satire als Diagnose eines politischen Zustands
Kimmel formuliert seine Kritik in der Sprache der Satire, meint sie aber erkennbar ernst. „Aus faschistischer Sicht war es ein großartiges Jahr“, sagt er. „Die Tyrannei boomt hier bei uns.“ Der Satz ist bewusst überzogen, doch der Befund dahinter klar: Kimmel sieht unter Präsident Donald Trump eine gefährliche Verschiebung politischer Machtverhältnisse.
Besonders scharf geht er mit dem Führungsstil des Präsidenten ins Gericht. Trump stilisiert er als „König Donnie VIII.“ – eine Anspielung auf den englischen Monarchen Henry VIII., berüchtigt für Machtmissbrauch und politische Willkür. Die Botschaft ist eindeutig: Kimmel wirft Trump monarchische Allüren in einem System vor, das genau das verhindern sollte.
Die eigene Sendung als politischer Beleg
Kimmel nutzt die Rede auch zur Selbstverortung. Er verweist auf die zeitweise Aussetzung seiner Late-Night-Show im September. Damals hatte es nach umstrittenen Äußerungen über die politische Instrumentalisierung eines Gewaltverbrechens massiven Druck auf den Sender ABC gegeben. Die Show wurde für eine Woche abgesetzt.
In Kimmels Darstellung ist der Fall jedoch mehr als eine mediale Kontroverse. Er spricht davon, dass die Regierung seines Landes versucht habe, ihn zum Schweigen zu bringen. Drohungen habe es gegen ihn und seinen Arbeitgeber gegeben, kurz darauf sei die Sendung verschwunden. Dass sie später fortgesetzt und sogar bis 2027 verlängert wurde, bezeichnet Kimmel als „Weihnachtswunder“ – ausgelöst durch öffentlichen Widerstand.

Ob man diese Interpretation teilt oder nicht: Kimmel macht aus dem Vorgang ein politisches Symbol. Für ihn ist die zeitweilige Absetzung kein Einzelfall, sondern Ausdruck eines Klimas, in dem Kritik an der Macht zunehmend sanktioniert werde.
Warnung an Europa, nicht nur an Amerika
Bemerkenswert ist, dass sich Kimmel in seiner Rede nicht nur an ein amerikanisches Publikum richtet. Er spricht explizit die Briten an – und warnt sie vor Selbstzufriedenheit. Die Vorstellung, autoritäre Tendenzen seien ein Problem ferner Länder, sei trügerisch. „Alles geht sehr schnell“, sagt er.
Dabei bedient er sich schwarzem Humor. Regierungen, die Kritiker zum Schweigen bringen, gebe es angeblich nur in Russland, Nordkorea – und „Los Angeles“. Der Lacher ist einkalkuliert, die Warnung nicht.
Zwischen Abrechnung und Appell
Am Ende schlägt Kimmel einen unerwartet versöhnlichen Ton an. Er bittet die Briten, die USA nicht aufzugeben. Das Land durchlebe eine schwierige Phase, werde sich aber wieder fangen. Der Satz wirkt weniger optimistisch als trotzig. Kein Pathos, kein Happy End, sondern Durchhalteparole.
Kimmels Weihnachtsbotschaft ist damit keine Comedy-Nummer, sondern politische Standortbestimmung. Sie zeigt, wie sehr sich die Fronten in den USA verhärtet haben – und wie stark Unterhaltung, Medienfreiheit und Politik inzwischen miteinander verwoben sind.
Dass ein Late-Night-Moderator in einer Weihnachtsansprache von Tyrannei spricht, ist kein Zufall. Es ist Ausdruck eines Landes, in dem politische Auseinandersetzungen längst nicht mehr nur im Parlament stattfinden, sondern auf Bühnen, Bildschirmen und im öffentlichen Raum. Genau dort, wo Satire zur letzten Form ungeschützter Kritik wird.


