02. August, 2025

Märkte

JD.com übernimmt MediaMarkt und Saturn

Der chinesische Tech-Konzern JD.com will die Muttergesellschaft Ceconomy übernehmen und sich damit eines der größten Elektronikhandelsnetzwerke Europas sichern. Was wie ein Befreiungsschlag klingt, birgt massive Risiken – für Wettbewerb, Beschäftigte und Europas digitale Souveränität.

JD.com übernimmt MediaMarkt und Saturn
MediaMarkt-Filiale in Deutschland: Rund 1.000 stationäre Läden in Europa wechseln mit dem Ceconomy-Deal de facto den Eigentümer – an einen chinesischen Onlinehändler ohne Erfahrung im Filialgeschäft.

Ein Milliarden-Deal mit Sprengkraft

Es ist ein Paukenschlag im europäischen Einzelhandel: JD.com, Chinas zweitgrößter Onlinehändler, übernimmt Ceconomy – die Dachgesellschaft hinter den Marken MediaMarkt und Saturn. Rund 4 Milliarden Euro ist JD der Einstieg in den europäischen Markt wert. Das entspricht einem Aufschlag von 23 Prozent auf den letzten Börsenkurs.

Mit dem Schritt sichert sich der Tech-Gigant aus Peking nicht nur 1.000 Filialen in Europa, sondern auch einen der größten Online-Elektronikhändler des Kontinents. Und: Einen Fuß in Frankreichs Markt, über die Beteiligung an Fnac Darty. Der Kauf ist nicht weniger als ein Angriff auf die europäische Retail-Infrastruktur.

Wer zahlt, bestimmt die Richtung

Auch wenn JD.com beteuert, Ceconomy operativ unabhängig zu lassen: Die Realität sieht meist anders aus. Mit 32 Prozent der Anteile hat JD bereits eine Sperrminorität – und großen Einfluss auf die strategische Ausrichtung.

Vorstand und Aufsichtsrat von Ceconomy begrüßen den Deal. Auch die Mehrheit der Großaktionäre – darunter Haniel, Beisheim, Freenet und BC Equities – will verkaufen. Nur die Gründerfamilie Kellerhals bleibt mit rund 25 Prozent an Bord. Offiziell spricht man von „strategischer Partnerschaft“.

Tatsächlich übergibt Ceconomy die Kontrolle an einen Konzern, der in China selbst unter Margendruck steht.

Ein riskanter Partner

Dass JD.com in Europa investieren will, ist nicht neu. 2024 hatte der Konzern bereits Interesse an der britischen Handelskette Currys bekundet – und sich dann zurückgezogen. Der Deal mit Ceconomy ist nun der zweite Anlauf.

Doch JD ist kein digitaler Heilsbringer. Im Heimatmarkt China kämpft das Unternehmen seit Jahren mit stagnierendem Wachstum. Die Preise sind niedrig, die Margen dünn, der Druck von Alibaba und Temu gewaltig.

JD versucht sich über Logistik zu differenzieren – mit automatisierten Lagern, Roboterflotten und Hightech-Warehouses. Doch ob diese Erfolgsformel auf europäische Filialwelten übertragbar ist, bleibt fraglich.

Filialnetz als Klotz am Bein

MediaMarkt und Saturn – das war einmal der Inbegriff für Technik zum Anfassen. Doch das stationäre Geschäft kämpft mit strukturellen Problemen. Die Läden sind oft groß, teuer und schwerfällig. Zwar bringt Ceconomy über fünf Milliarden Euro Onlineumsatz – doch der Wandel vom Filialriesen zum Digitalplayer kommt nur schleppend voran.

E-Commerce-Experte Alexander Graf bringt es auf den Punkt: „Zwei problembehaftete Unternehmen bündeln ihre Probleme und machen daraus ein großes Problem.“

Was JD mit den hunderten Filialen in Deutschland, Spanien, Italien oder Polen vorhat, ist offen. Kurzfristig bleibt alles wie es ist. Mittelfristig? Wohl kaum.

Politik im Tiefschlaf

Während die Bundesregierung über chinesische Beteiligungen bei kritischer Infrastruktur diskutiert, geht ein Schlüsselunternehmen des europäischen Einzelhandels an einen chinesischen Tech-Konzern – fast geräuschlos.

Dabei betrifft der Fall mehr als nur Konsumelektronik. Ceconomy ist einer der größten Hardware-Händler Europas, beliefert auch Geschäftskunden und Bildungseinrichtungen. Der Zugang zu Kundendaten, Lieferketten und IT-Infrastrukturen dürfte für JD.com hochinteressant sein. Und politisch brisant.

Scheinriese Ceconomy

Die Ceconomy AG ist ein Konzern mit großem Namen, aber schwacher Bilanz. Der Umsatz lag zuletzt bei 22,4 Milliarden Euro – doch die Gewinne sind seit Jahren bescheiden. Das Geschäftsmodell hängt am Tropf der Preisschlacht mit Amazon.

Ceconomy-Zentrale in Düsseldorf: Vorstand und Aufsichtsrat empfehlen den Deal – obwohl der Konzern selbst zuletzt kaum Wachstum zeigte und nun unter Kontrolle eines chinesischen Tech-Giganten geraten könnte.

JD könnte frisches Kapital bringen – oder den Laden einfach als Plattform missbrauchen, um chinesische Produkte direkt nach Europa zu pushen. Der Gedanke, dass MediaMarkt künftig als Schaufenster für JD-Produkte fungiert, ist nicht so fern wie er scheint.

Ein Fuß in der Tür – und dann?

JD erhält mit diesem Schritt Zugang zu Europas Endkunden, Daten, Logistikzentren und Handelsnetzwerken. Was wie ein gewöhnlicher Unternehmensverkauf aussieht, ist in Wahrheit eine tektonische Verschiebung.

Der stationäre Einzelhandel in Europa war lange ein geschützter Raum. Jetzt wird er globalisiert – von einem Spieler, der nicht für Transparenz, sondern für Effizienz und Kontrolle steht.

Für JD ist Ceconomy ein Türöffner. Für Europa womöglich der Beginn einer schleichenden Entkernung.

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