27. Juni, 2025

Wirtschaft

Jahreszahl um Jahreszahl verspätet: Bahn-Sanierung zieht sich bis 2035

Mit Tempo 80 Richtung Zukunft: Die Deutsche Bahn verpasst nicht nur Züge, sondern jetzt auch ihren eigenen Sanierungsplan – und das gleich um vier Jahre. Warum das mehr ist als nur eine technische Verzögerung.

Jahreszahl um Jahreszahl verspätet: Bahn-Sanierung zieht sich bis 2035
2035 statt 2031: Die Deutsche Bahn verschiebt ihre Generalsanierung um vier Jahre – betroffen sind über 40 hochbelastete Strecken, darunter Frankfurt–Heidelberg, Aachen–Köln und Flensburg–Hamburg.

Der Sanierungsfahrplan wankt – wieder einmal

Die Deutsche Bahn hat den Ruf, unpünktlich zu sein. Nun wird ihr auch beim Großprojekt „Generalsanierung“ genau das zum Verhängnis: Eigentlich sollte das deutsche Schienennetz bis 2031 modernisiert werden.

Jetzt steht fest: Frühestens 2035. Ganze vier Jahre später – und das ist nur der optimistische Fahrplan.

Die Bahn spricht von einem „angepassten Vorschlag zur Streckung der Sanierungen“. Intern nennt man das, was nun kommt, schlicht das Eingeständnis, dass man zu viel wollte – und zu wenig vorbereitet hat.

Besonders betroffen sind Strecken wie Frankfurt–Heidelberg, Aachen–Köln oder Flensburg–Hamburg. Alles Achsen mit hoher Auslastung. Alles Projekte, die nun vertagt werden.

Ein Mann, ein Fahrplan, viele Baustellen

Einer, der mit den Folgen der Verzögerung täglich zu kämpfen hat, ist Güterzugführer Stefan K., 41, aus Mainz. Er fährt regelmäßig auf der Strecke Frankfurt–Mannheim – die sogenannte Riedbahn – und sagt:

„Es geht hier nicht nur um Baustellen. Es geht um verlorene Zeit, verlorenes Vertrauen, verlorene Kunden.“

Seit Beginn der Generalsanierung sei vieles unklar, Strecken seien überlastet, Umleitungen chaotisch. „Ich fahre oft nach Bauchgefühl. Weil niemand weiß, was hinter der nächsten Weiche los ist.“

Der Riedbahn-Umbau war das Pilotprojekt – Start 2024, Ende 2025. Aber selbst hier wackelt der Zeitplan. „Was mich wundert: Dass das jemanden wundert“, sagt Stefan K. lakonisch.

Wenn das Netz bremst statt beschleunigt

Die Bahn will mehr als 40 überlastete Hauptachsen grundlegend modernisieren, teilweise komplett sperren, durchdigitalisieren – und danach fünf Jahre lang nicht mehr anfassen.

Der Gedanke: Lieber einmal groß sanieren als ständig notdürftig flicken. Doch der Flickenteppich bleibt, vor allem, weil die Koordination mit Güter- und Regionalverkehr stockt.

Kritik kommt von vielen Seiten. Verkehrsverbände warnen seit Monaten, dass die Umleitungsstrecken nicht belastbar genug sind. Die Union sieht in dem nun vorgelegten Vorschlag eine stille Abkehr vom Koalitionsvertrag – dort war von einer stringenten Umsetzung bis Anfang der 2030er Jahre die Rede. Nun klingt alles nach Verschiebung auf unbestimmte Zeit.

Zukunft auf der langen Bank

Die Infrastrukturtochter DB InfraGo, formal zuständig für die Umsetzung, versucht Schadensbegrenzung: Noch seien es nur Vorschläge, heißt es. Man sammle „Rückmeldungen aus der Branche“. Im Juli wolle man mit der Bundesregierung abstimmen, wie es weitergeht.

Doch selbst Insider bezweifeln, dass es noch viel abzustimmen gibt. „Der Korridorplan 2028 ist de facto Makulatur“, sagt ein involvierter Bahnmanager. „Wir sind in vielen Bereichen noch in der Planungsphase, nicht in der Bauphase.“

Hinzu kommen explodierende Baukosten, Fachkräftemangel und ein Planungsrecht, das selbst Routineprojekte zur Geduldsprobe macht. „Allein ein Fahrdrahttausch dauert Monate, weil er über Dutzende Behörden laufen muss“, so der Manager.

Chronisch überlastet – systematisch unterfinanziert

Hinter dem Desaster steckt ein altes strukturelles Problem: Das deutsche Bahnnetz ist seit Jahren an der Belastungsgrenze – täglich rollen mehr Züge über veraltete Trassen als in jedem anderen europäischen Land.

Dabei wurde jahrzehntelang zu wenig in die Instandhaltung investiert. Während Frankreich mit Hochgeschwindigkeit durch Tunnel fährt, quält sich der deutsche ICE über marode Weichen und knirschende Brücken aus den Siebzigerjahren.

Hinzu kommt die Zersplitterung innerhalb des Konzerns. Die Trennung von Netz und Betrieb ist formal vollzogen, in der Praxis aber bleibt alles eng verwoben. Die Folge: fehlende Transparenz, politische Grabenkämpfe, operative Ineffizienz.

2035 – oder noch später?

So bleibt die Frage offen: Wird es wirklich 2035? Oder 2038? Oder nie? In der Branche glaubt kaum noch jemand an feste Jahreszahlen. „Wir machen hier kein Projektmanagement, sondern Hoffnungspflege“, spottet ein Verbandsvertreter. Für Kunden bedeutet das: weitere Jahre der Unsicherheit, des Frustes, der Verspätungen.

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