Der Zeitpunkt ist alles andere als komfortabel: Gerade als der Wind für internationale Autobauer in den USA rauer wird, gibt Stellantis die Nachfolge des langjährigen CEO Carlos Tavares bekannt.

Neuer starker Mann an der Spitze des viertgrößten Autokonzerns der Welt wird der Italiener Antonio Filosa – ein interner Kandidat mit Stallgeruch und Amerika-Erfahrung. Doch reicht das aus, um einen angeschlagenen Koloss mit 14 Marken und globalem Gefüge wieder auf Kurs zu bringen?
Vom Brasilien-Manager zum globalen Chef
Antonio Filosa ist kein lauter CEO. Der 52-Jährige gilt als disziplinierter Macher, der in über zwei Jahrzehnten vom Fiat-Ingenieur zum Konzernlenker aufgestiegen ist.
In Südamerika baute er das Geschäft unter extremen Marktbedingungen aus, zuletzt verantwortete er als Chief Operating Officer das US-Geschäft – eine Schlüsselfunktion im Spannungsfeld zwischen Jeep, Dodge, Chrysler und einem zunehmend protektionistischen US-Markt.
Besonders sein Einsatz für bessere Beziehungen zu Zulieferern, Gewerkschaften und Händlern hatte ihm intern Pluspunkte eingebracht – auch, weil sein Vorgänger Tavares genau dort verbrannte Erde hinterlassen hatte. Dass der Verwaltungsrat Filosa nun einstimmig zum CEO berufen hat, lässt tief blicken: In einer Phase der Unsicherheit soll Verlässlichkeit über Vision stehen.
Umsatz bricht ein, Zölle setzen zu
Die Aufgabenliste für den neuen CEO ist lang – und vor allem dringend. 2024 fiel der Umsatz des Konzerns um satte 17 Prozent auf 157 Milliarden Euro. Noch dramatischer: Der Nettogewinn kollabierte um 70 Prozent auf nur noch 5,5 Milliarden Euro.
Ursache sind neben operativen Problemen vor allem die politischen Störfeuer aus Washington: Donald Trumps Rückkehr auf die wirtschaftspolitische Bühne hat in der Branche Schockwellen ausgelöst. Seine Autozölle treffen europäische Hersteller ins Mark – insbesondere jene mit US-Ablegern wie Stellantis.
Filosa steht damit unter doppeltem Druck: Er muss einen Konzern mit über 270.000 Mitarbeitenden durch eine konjunkturelle Schwächephase steuern – und gleichzeitig ein belastbares Gegengewicht zu einer neuen Ära wirtschaftlicher Abschottung entwickeln.
Einfach wird das nicht, zumal das Portfolio zwischen Luxus (Maserati), Massenmarkt (Peugeot, Opel) und Nutzfahrzeugen (RAM, Citroën) zersplittert ist.
Interne Lösung statt radikalem Neuanfang
Dass sich der Aufsichtsrat gegen externe Bewerber wie Ex-AutoNation-CEO Mike Manley entschied, zeigt: Ein radikaler Neuanfang war offenbar nicht gewollt. Auch Einkaufschef Maxime Picat wurde übergangen – vermutlich, weil er zu stark mit dem europäischen Konzernteil verbunden ist.
Filosa hingegen verkörpert Kontinuität, ohne die Altlasten seiner Vorgänger zu tragen.
Intern gilt er als diplomatischer Brückenbauer. Außenpolitisch könnte genau das gefragt sein, denn der US-Markt bleibt trotz aller Spannungen überlebenswichtig. Die Frage ist nur: Hat Filosa den Mut, auch intern unbequem zu werden – etwa bei der schwelenden Elektroschwäche des Konzerns oder der ausbleibenden Digitalisierung der Händlerstruktur?
Stillstand wäre das größere Risiko
Was Stellantis jetzt braucht, ist kein Visionär mit PowerPoint-Slides, sondern ein Stratege, der das Unternehmen neu kalibriert – ruhig, entschlossen, aber mit klarer Linie. Antonio Filosa bringt dafür einiges mit: internationale Erfahrung, interne Akzeptanz, technisches Verständnis und politische Sensibilität. Ob das reicht, um den Tanker Stellantis in Zeiten multipler Krisen neu auszurichten, wird sich rasch zeigen.
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