Raketenabwehr made in Israel – bald auch für Berlin?
Kaum hatte Israels Luftwaffe in der Nacht iranische Atomanlagen angegriffen, da meldete sich der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner mit einem Vorstoß, der selbst in sicherheitspolitischen Kreisen für Aufsehen sorgt: Berlin brauche ein Raketenabwehrsystem – vergleichbar mit Israels „Iron Dome“.
Ausgerechnet jetzt wollte Stettner mit Kollegen nach Tel Aviv reisen, um sich vor Ort über das System zu informieren. Die Reisepläne wackeln – der Iran droht mit Vergeltung.
Was bleibt, ist die politische Botschaft: Die Hauptstadt soll besser geschützt werden – und zwar nicht nur gegen Cyberattacken, Blackouts oder Starkregen. Sondern gegen Raketen. Stettner argumentiert mit Blick auf die geopolitische Großwetterlage:
„Der Schutz der Berlinerinnen und Berliner ist Staatsaufgabe – und damit Sache des Bundes.“ Das Ziel: ein deutsches Pendant zum israelischen Abwehrschirm.
Symbolpolitik mit Zielrichtung Hauptstadtvertrag?
So sicherheitsbewusst sich der CDU-Vorstoß nach außen gibt – hinter den Kulissen wird spekuliert: Geht es Stettner wirklich um Luftsicherheit? Oder eher um politisches Kapital in den bevorstehenden Verhandlungen zum Hauptstadtvertrag?

Dieser regelt unter anderem, in welchem Umfang der Bund Berlin etwa Polizeikosten für Demonstrationen und Botschaftsschutz erstattet. Der Vertrag läuft Ende 2027 aus – neue Milliarden aus dem Bundesetat stehen zur Diskussion.
Ein Raketenabwehrsystem als Druckmittel in einem haushaltspolitischen Tauziehen? Das Timing wirkt auffällig: Die CDU-Fraktion hat für den 4. Juli eine Klausurtagung bei bayerischen Rüstungsfirmen angesetzt, die Luftverteidigungstechnologie entwickeln.
Die Reise wirkt wie Wahlkampf mit Tarnkappe. 2026 wird in Berlin ein neues Abgeordnetenhaus gewählt.
Sicherheitsfrage oder Sicherheitsinszenierung?
Die Reaktionen der anderen Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus lassen kaum Raum für Interpretationsspielraum. SPD-Innenpolitiker Martin Matz zeigte sich sichtlich irritiert:
„Die parlamentarische Kontrolle über Verteidigungsausgaben liegt beim Bundestag. Welche Rolle Landesparlamente dabei spielen sollen, bleibt offen.“
Noch schärfer äußerten sich die Grünen. Vasili Franco warf der CDU „Showpolitik“ vor und forderte, sich lieber um Berliner Grundaufgaben zu kümmern: „Cyberabwehr, Katastrophenschutz, Zivilschutz – überall Baustellen, und die CDU greift nach Raketen.“
Auch aus der Linksfraktion kam scharfer Gegenwind. Die Abwehrpläne seien reine Symbolpolitik, während in der Realität nicht einmal eine funktionierende Notstromversorgung für kritische Infrastrukturen existiere. Der Senat stehe beim Katastrophenschutz seit Jahren auf dem Prüfstand – Fortschritte? Fehlanzeige.
Was technisch machbar wäre – und was politisch gewollt sein müsste
Tatsächlich wäre ein lokal begrenzter Schutzschirm nach dem Vorbild des „Iron Dome“ technologisch machbar – wenn auch nur mit immensem Aufwand. Das israelische System basiert auf einem hochvernetzten Frühwarnradar, mobilen Abwehrbatterien und einer feingetunten Softwarearchitektur.
Für eine Großstadt wie Berlin müsste ein ganzes Netz solcher Systeme aufgebaut werden – zu Kosten, die im einstelligen Milliardenbereich liegen dürften.
Zudem: Der „Iron Dome“ ist ein System, das für eine reale, permanente Bedrohungslage konzipiert wurde – nicht für ein NATO-Mitglied mitten in Europa. Verteidigungspolitisch stellt sich die Frage, ob nationale Abwehrsysteme für Einzelstädte sinnvoll sind – oder ob der Schutz der Hauptstadt nicht ohnehin Aufgabe des Bundes und der NATO ist.
Zwischen Sorge, Inszenierung und Realität
Die Idee, Berlin zu schützen, ist nachvollziehbar. Doch der Zeitpunkt und die politische Verpackung des CDU-Vorstoßes lassen Zweifel an der Ernsthaftigkeit aufkommen.
Während Israel sich auf mögliche Raketenschwärme aus dem Iran vorbereitet, testet man in Berlin offenbar eher die politische Wirkungskraft sicherheitspolitischer Symbolik.
Ob am Ende wirklich ein „Iron Dome“ über dem Regierungsviertel entsteht, bleibt offen. Sicher ist nur: In einer Stadt, in der Sirenenanlagen veraltet sind, Notfallkonzepte fehlen und der Katastrophenschutz chronisch unterfinanziert ist, wirkt die Diskussion um Raketenabwehr wie aus einer anderen Realität.
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