Traditionshaus unter Druck
Es ist kein gewöhnlicher Sanierungsfall. Was hier auf dem Spiel steht, ist nicht nur ein weiterer mittelgroßer Name in der Baumarktbranche. Die Brüder Schlau Gruppe mit Sitz in Porta Westfalica gehört zu den größten Playern in der deutschen Raumausstatter-Szene. I
hre Fachmärkte „Hammer“ und der Großhandelszweig „Schlau“ beschäftigen rund 3.900 Mitarbeitende, betreiben 235 Standorte, bieten eigene Handwerker-Teams – und stehen jetzt vor der Frage, ob sie als Ganzes überleben können.
Am Mittwoch hat die Geschäftsführung Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt. Ein Schritt, der in der Öffentlichkeit oft mit „Neustart“ oder „Reorganisation“ umschrieben wird, in Wahrheit aber ein verzweifelter Kraftakt ist: Der Betrieb läuft zwar weiter, das Management bleibt an Bord – doch ein externer Sachwalter überwacht die Kasse, und jede Entscheidung steht ab jetzt unter juristischem Vorbehalt.
Zwei Marken, eine Baustelle
Was auf dem Papier nach einem gesunden Mittelständler klingt – eigene Handwerker, stabiles Filialnetz, jahrzehntelange Geschichte – entpuppt sich bei näherem Hinsehen als schwerfälliger Tanker in rauer See.
Während sich die Großhandelssparte „Schlau“ um Gewerbekunden kümmert, setzt die Kette „Hammer“ auf Privatkundschaft, Beratung, individuelle Raumgestaltung. Statt Tapetenabverkauf: Innenarchitektur zum Festpreis.
Ein Konzept mit Potenzial. Doch ausgerechnet in einer Zeit, in der die Zinsen steigen, der Wohnungsbau einbricht und die Konsumlaune im Keller liegt, ist das kein Wachstumsfeld.
Der Umsatz ging zuletzt in beiden Geschäftsbereichen spürbar zurück. Die Transformation – so nennt es das Management selbst – sei „in einer schwierigen Zeit gestartet“ worden. Eine freundliche Umschreibung für: Wir sind zu spät vom Baumarkt zum Dienstleister geworden.

Kein Geld mehr für neue Gardinen
Der Fall Schlau ist kein Einzelfall, sondern Symptom einer Branche im Umbruch. Was heute landläufig noch als Baumarkt wahrgenommen wird, ist in Wahrheit längst Kampfgebiet zwischen Discount-Preisen, digitalen Plattformen und sinkender Kaufkraft.
Wenn selbst Hornbach und Obi mit Rabattschlachten um jeden Euro kämpfen, wird es für kleinere Formate eng. Hammer mag eigene Handwerker anbieten – aber wenn Kundinnen und Kunden ihre Projekte nicht mehr finanzieren können oder wollen, nützt auch der Fixpreis nichts.
Dabei hatte die Gruppe durchaus versucht, gegenzusteuern: Digitalisierung, Prozessoptimierung, neue Beratungsangebote. Doch der Umbau kostet Geld – und das ist in der jetzigen Marktphase knapp geworden.
Das Prinzip Eigenverwaltung – Hoffnung oder Hinhaltetaktik?
Die Insolvenz in Eigenverwaltung ist kein Allheilmittel. Sie soll den Betrieb stabilisieren, Verträge sichern, und Zeit verschaffen. Doch genau diese „Zeit“ ist ein Luxus, den Unternehmen in Schrumpfmärkten oft nicht haben.
Zwar kündigt das Management an, dass alle Filialen geöffnet bleiben, die Lieferfähigkeit vollständig erhalten sei, die Handwerker weiterhin unterwegs. Doch was offiziell als „unveränderte Geschäftstätigkeit“ verkauft wird, ist in der Praxis meist eine Schonfrist – bis Klarheit herrscht, wie tief der Einschnitt ausfällt.
Spätestens ab Herbst dürfte sich zeigen, wie viel vom bisherigen Filialnetz tatsächlich bestehen bleibt – und ob Investoren gefunden werden, die an eine Zukunft für das Geschäftsmodell glauben.
Juristen übernehmen: Die Sanierer im Maschinenraum
Während Geschäftsführer und Eigentümer weiter die operativen Entscheidungen treffen, haben die Insolvenzexperten das Steuer übernommen. Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Dirk Andres fungiert als Sachwalter, unterstützt vom Sanierungsteam rund um Yorck Streitbörger und Ingo Gerdes.

Alle drei verfügen über reichlich Erfahrung in vergleichbaren Fällen – doch auch die besten Sanierer können keine Nachfrage erzwingen.
Ob interne Umstrukturierungen, IT-Modernisierung oder Standortbereinigung reichen werden, ist offen. Vor allem, weil der Markt nichts verzeiht: Wer jetzt nicht überzeugt, fliegt bei Banken und Kunden schnell aus dem Radar.
1921 gegründet – und jetzt auf der Kippe
Die Brüder Schlau Gruppe steht seit über hundert Jahren für Farben, Tapeten und Bodenbeläge. Was einst als Farbengroßhandel in Minden begann, wuchs zu einem Imperium mit bundesweiter Präsenz. 1976 kamen die Hammer-Märkte hinzu, die bis heute das Gesicht der Gruppe prägen.
Nun könnte es an der Zeit sein, sich von Teilen dieser Geschichte zu verabschieden. Eine Abwicklung ist nicht angekündigt, aber auch nicht ausgeschlossen. Die Suche nach Investoren – so gut wie sicher. Das bedeutet meist: neue Eigentümer, neue Strukturen – und weniger Standorte.
Verdrängungswettbewerb im Wohnmarkt
Die Insolvenz der Brüder Schlau Gruppe steht exemplarisch für den Verdrängungswettbewerb, der den Wohn- und Heimtextilmarkt in Deutschland durchzieht.
Während IKEA, Obi, Amazon und spezialisierte Online-Händler aggressiv skalieren, fällt es regional verankerten Filialketten schwer, Schritt zu halten. Selbst Services wie die Wohnberatung vor Ort helfen nicht, wenn die Kundschaft ausbleibt.
Und doch ist der Fall auch ein Weckruf für die Politik: Der Einbruch im privaten Wohnbau, die hohe Zinslast und die allgemeine Konsumzurückhaltung haben nicht nur Auswirkungen auf Bauunternehmen – sondern ziehen ganze Wertschöpfungsketten mit sich. Vom Farbenlieferanten bis zum Bodenleger.
Eintritt in die Sanierungszone
Was in Porta Westfalica passiert, ist mehr als eine betriebswirtschaftliche Schieflage. Es ist ein Signal an eine ganze Branche, die gerade begreift, dass gute Beratung, Tradition und Handwerk allein nicht mehr ausreichen, um sich in einem strukturell schrumpfenden Markt zu behaupten.
Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heißt es zunächst: weitermachen wie bisher. Löhne sind durch Insolvenzgeld gesichert, alle Aufträge laufen weiter. Doch wie lange dieses „business as usual“ trägt, hängt davon ab, wie schnell neue Partner gefunden und wie mutig alte Zöpfe abgeschnitten werden.
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