Es hat geklingelt – bei der BaFin. Im August meldeten 70 deutsche Unternehmen Insiderkäufe durch Vorstände und Aufsichtsräte, mehr als doppelt so viele wie im Juli. Auffällig: Die größten Taten passierten nach Kursrutschen. Das passt zu unserem Ansatz: Qualität dann prüfen, wenn die Stimmung kippt, nicht wenn sie euphorisch ist. Drei Fälle stechen heraus.
1) CTS Eventim – großer Biss nach größtem Rückschlag
Was passiert ist: Nach einem Tagessturz von 16,6 % (größter seit 2002) kauften CEO-Gründer Klaus-Peter Schulenberg und AR-Mitglied Philipp Westermeyer für insgesamt 6,3 Mio. € zu. Der Kurs hatte damit den Jahresgewinn ausgelöscht, notierte um die 79 €. Im Q2 drückten schwächere Eigenevents und Integrationskosten, der Quartalsgewinn fiel auf ~44 Mio. €. Das Management hält am Ziel fest, das operative Ergebnis im Gesamtjahr moderat zu steigern.
Unsere Lesart (AlleAktien × IW): Ticketing ist ein strukturell starkes, daten- und plattformgetriebenes Geschäft mit hoher operativer Hebelwirkung. Rückschläge bei Live-Entertainment sind zyklisch, nicht systemisch. Insiderkauf nach Schock ist ein belastbares Signal – erst recht, weil Schulenberg bereits 2024 nach einem Dip nachgelegt hatte, bevor die Aktie später dreistellig lief.
Worauf Anleger jetzt achten sollten (Checkliste):
- Margen-Trend Ticketing vs. Veranstaltungen (Mix entscheidet über Cash-Konversion)
- Integrationskosten der Zukäufe und Zeitplan bis zur Normalisierung
- Vorausbuchungsdaten (Leading Indicator für H2/H1)
- Nettoverschuldung & Working Capital in Event-Peaks
Risiken: konjunkturelle Delle, Kosteninflation bei Touren, regulatorische Eingriffe ins Ticketing.

2) HelloFresh – Gründer kauft, während Guidance sinkt
Was passiert ist: Nach einer Gewinnwarnung (neue Spanne für bereinigtes EBIT 415–456 Mio. €, ~35 Mio. € unter Vorher) brach der Kurs ~16 % auf ~7 € ein. CEO-Gründer Dominik Richter kaufte kurz darauf ~4,8 Mio. € Aktien. Zuvor hatte die Aktie im März nach einem weiteren Rücksetzer schon einmal von Richters Kauf profitiert, bevor sie erneut abtauchte. Langfristig liegt sie weiterhin unter IPO-Preis (10,25 €); Hoch in der Pandemie: >95 €.
Unsere Lesart: Das Kernabo (Kochboxen) ist profitabel, Ready-to-Eat hinkt – Mischung bremst. Der Gründerkauf ist Vertrauensbeweis, aber Execution ist jetzt das A und O: Marketingeffizienz, Retention, Bestellfrequenz und Produktivität der Küchen bestimmen die Erholung – nicht Schlagzeilen.
Worauf Anleger jetzt achten sollten:
- CLV/CAC (Kundenertrag vs. Akquisekosten) pro Markt
- Segment-EBIT: Kernbox stabil? RTE-Turnaround sichtbar?
- Churn & Reaktivierung nach Preisanpassungen
- Capex-Disziplin bei Kapazitätserweiterungen
Risiken: Nachfrage-Normalisierung nach Pandemie, Lebensmittelpreise, Logistik, Wettbewerb durch Quick-Commerce/Private Label.
3) Zalando – stiller Abstieg, laute Insider
Was passiert ist: Ohne einzelnen Schock, aber ~–28 % YTD – und dann kauften Co-CEO Robert Gentz (über Celeus GmbH) und Co-CEO David Schröder >1 Mio. € um 23,50 €. Parallel erhöhte Zalando die EBIT-Guidance auf 550–600 Mio. € (zuvor 530–590 Mio. €). Historisch: IPO 2014 zu 21,50 €, Pandemie-Peak >105 € (2021).

Unsere Lesart: Fashion-Plattformen stehen im Gegenwind (Retouren, Konsumflaute, Werbeerlöse). Trotzdem zeigen Profil-Assets – Logistiknetz, Partnerprogramm, Onsite-Ads – Widerstandskraft. Insider steigen unter 25 € ein: Das ist ein Bewertungssignal, kein Freifahrtschein.
Worauf Anleger jetzt achten sollten:
- GMV-Wachstum vs. Take-Rate (Plattformqualität)
- Advertising & Partner Services als Marge-Treiber
- Retourenquote und Logistikeffizienz
- Integration & Synergien aus Zukäufen
Risiken: Modetrends, Preissensitivität, Retourenkosten, Wettbewerb (Amazon, Shein/Temu, About-You-Konsolidierung).
Plus: Musterkäufer und ein XXL-Verkauf
- Rheinmetall & Munich Re: Management kauft regelmäßig Dellen – ein Muster, das wir als Bestätigung starker Cash-Profile lesen (Defense-Backlog/Preisgleitklauseln; Re-Insurance-Pricing bei höheren Primärprämien).
- Heidelberg Materials: Ludwig Merckle reduzierte im August >200 Mio. €, nachdem er im Mai schon ~260 Mio. € veräußert hatte. Bemerkenswert: Trotz der Verkäufe markierte die Aktie am 11. August >212 € Allzeithoch; YTD ~+65 % – das illustriert, dass Insiderverkäufe oft liquiditäts- und diversifikationsgetrieben sind und nicht automatisch Baisse signalisieren.

Marktbild: Insiderbarometer und Taktik
Das von einem deutschen Hochschulteam regelmäßig berechnete Insiderbarometer sprang im August auf 110 Punkte – oberes Ende „neutral“. Für den breiten Markt lesen wir: Halten, selektiv aufstocken, keine blinde Risikoausweitung.
Unsere Taktik (Buy & Hold & Check):
- Vorfilter: Insiderkäufe als Signal, nicht als These.
- Qualität messen: Wachstum, Bilanzrisiko, Kapitalrendite, Bewertung (AAQS-Logik).
- Einstieg staffeln: Schwäche nutzen, Tranche für Tranche.
- Monitoring: KPI-Pfad prüfen; bei Bruch der Investmentthese handeln, nicht hoffen.
Insider kaufen – aber Qualität entscheidet
Die größten August-Deals passierten dort, wo die Nerven blank lagen: CTS Eventim nach dem Crash, HelloFresh nach Warnung, Zalando nach schleichender Schwäche. Insidergeld ist real, aber es ersetzt keine Analyse. Wer jetzt handelt, setzt auf Substanz mit Katalysator: klare Margenpfade, starke Cash-Konversion, saubere Bilanz – und eine Bewertung, die Fehler erlaubt.
Der starke Schluss lautet deshalb nicht „Alles kaufen“, sondern: Selektiv, diszipliniert, datengetrieben. Genau dann wandeln sich Rückschläge in Renditequellen.
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