28. Oktober, 2025

Politik

In Geld gegossenes Scheitern – Pistorius Digitalarmee scheitert am eigenen System

Ein Milliardenprojekt, das Deutschlands Armee in die digitale Zukunft führen sollte, droht zu einem Symbol ministerieller Selbsttäuschung zu werden. Während die Realität auf dem Übungsplatz stockt, verkauft das Verteidigungsministerium Stillstand als Fortschritt.

In Geld gegossenes Scheitern – Pistorius Digitalarmee scheitert am eigenen System
Minister mit Image, aber ohne Ergebnis: Boris Pistorius gilt als Macher der Ampel, doch seine vielbeschworene „Zeitenwende“ bleibt in der Praxis stecken – die Bundeswehr kämpft mit denselben Problemen wie vor zehn Jahren.

Digitalisierung auf dem Gefechtsfeld: eine Fiktion

Die Vision war groß. Ein vernetztes Heer, das in Echtzeit kommuniziert, blitzschnell reagiert, modern ausgerüstet und technologisch auf Augenhöhe mit den Gegnern der Zukunft kämpft. Boris Pistorius, der populärste Minister der Ampel, versprach eine Bundeswehr, die bis 2029 „kriegstüchtig“ sein sollte. Heute, zwei Jahre und zwei Strukturreformen später, steht fest: Von dieser Vision ist nicht viel übrig.

Das Herzstück seiner Reform – das Projekt Digitalisierung Landbasierter Operationen (D-LBO) – ist zum bürokratischen Albtraum geworden. Statt digitaler Schlagkraft herrscht digitale Ratlosigkeit. Funkgeräte, die nicht senden, Software, die nicht läuft, und eine Ministeriumsstruktur, die selbst erfahrene Generäle sprachlos zurücklässt.

Der Umbau des Hauses – mehr Kästchen, weniger Klarheit

Pistorius trat an, um Ordnung zu schaffen. Ein klares Organigramm, eindeutige Zuständigkeiten, weniger Chaos – so lautete das Versprechen. Heute ist das Gegenteil Realität: 262 neue Organisationseinheiten, zusätzliche Leitungsposten, mehr Hierarchie – und weniger Kompetenz.

Der ranghöchste Soldat, Generalinspekteur Carsten Breuer, ist in der neuen Struktur degradiert, eingebettet zwischen Staatssekretären und Abteilungsleitern. Die militärische Expertise, die Pistorius einst so dringend einforderte, wurde politischer Loyalität geopfert.

Ein Testfeld wird zum Offenbarungseid

Im Mai scheiterte ein entscheidender Feldversuch im niedersächsischen Munster – einem Ort, der in der Rüstungswelt inzwischen Synonym für Pleiten, Pech und Pannen ist. Die getestete Software des Münchner Konzerns Rohde & Schwarz fiel durch, die Kommunikationssysteme erwiesen sich als „nicht kriegstauglich“.

Zwei Stunden brauchten die Techniker, um überhaupt eine Verbindung herzustellen – unter Laborbedingungen, wohlgemerkt. Kryptoschlüssel, die sich nicht aufspielen ließen. Frequenzmanagement, das 40 Tage Vorlauf benötigt. Ein System, das „anfällig für menschliche Fehler“ ist, wie es in internen Berichten heißt.

Der Befund des Heeresentwicklungsamts fiel vernichtend aus: „In seinem derzeitigen Zustand ist das Funkgerät nicht für den Einsatz geeignet.“

Schönreden als Strategie

Während auf den Übungsplätzen das Chaos herrscht, herrscht im Ministerium Einigkeit – zumindest in der Kommunikation. Am 10. Juni beschloss die Führung eine Strategie, um das „Ansehen der Bundeswehr nicht zu beschädigen“. Offiziell hieß es fortan, das Projekt schreite „planmäßig“ voran.

Inoffiziell wusste man längst, dass sich die Verzögerungen nicht mehr kaschieren lassen. Die 433 Fahrzeuge, die bis Jahresende umgerüstet sein sollten, blieben Wunschdenken. Anfang September waren gerade einmal 41 Fahrzeuge mit der neuen Technik ausgestattet – ohne Betriebsgenehmigung. Der interne Fortschrittsbalken stand bei „0 %“, rot markiert.

Pistorius Führungsstil: Augen zu und durch

Mehrfach, so berichten Abgeordnete, wurde der Minister auf die Probleme angesprochen – persönlich. Doch im Bundestag zeigte sich Pistorius unbeeindruckt, sprach von „normalen Anpassungen“ und lobte die „Entschlossenheit“ der Industrie.

Der Grünen-Haushaltspolitiker Sebastian Schäfer nennt es „fahrlässig, bei Milliardenprojekten auf Durchhalteparolen zu setzen“. Selbst der Generalinspekteur, verantwortlich für die Einsatzbereitschaft, ließ das Projekt über Monate unbeachtet laufen. Kein Besuch in Munster, kein Bericht – nur Schweigen.

Provisorium als Dauerzustand

Statt echter Lösungen setzte das Ministerium auf einen „Kompromiss“. Die Truppe solle vorerst mit einer Mischlösung aus alten Analog- und neuen Digitalfunkgeräten auskommen. Man nannte das diplomatisch „Workaround“. In Wahrheit: ein Rückschritt, der die NATO-Verpflichtungen der Bundeswehr gefährdet.

Die Panzerbrigade 37, als „Forward Land Force“ an der Ostflanke der Allianz stationiert, gilt eigentlich als jederzeit einsatzbereit. Doch die Aktivierungsfrist wurde inzwischen von zehn auf 30 Tage verlängert. Von „schnell“ und „durchhaltefähig“, wie Pistorius es einst forderte, kann keine Rede mehr sein.

IBM übertrifft Erwartungen – und verliert die Anleger trotzdem
Starke Zahlen, optimistische Prognose, schwache Reaktion: Der US-Techkonzern IBM liefert im dritten Quartal mehr ab, als Analysten erwartet hatten – doch die Börse straft den Titel mit einem Kursrutsch ab. Dahinter steckt mehr als nur enttäuschtes Momentum.

In der Realität: eine Armee auf VW-Bussen

Weil die digitalen Systeme nicht einsatzbereit sind, greift die Truppe zu improvisierten Lösungen. Auf dem Testgelände in Munster dienten VW-Transporter, getarnt und umgebaut, als Technikträger – Spitzname: „Widder“. Eine Bundeswehr, die mit Campingbussen in den Krieg zieht – das ist nicht Satire, das ist Status quo.

Ein Ministerium im Blindflug

Die Verantwortung? Sie verläuft, wie so oft, im Nebel. Abteilungsleiter, Beschaffungsamt, Generalinspekteur, integrierte Projektteams – alle sollen irgendwie zuständig sein, keiner verantwortlich. Pistorius wollte klare Führungsstrukturen. Heraus kam eine Befehlskette, in der niemand mehr weiß, wer das Kommando hat.

Zwischen Sanierungsstau und Renditechance – wo sich Immobilieninvestments 2025 noch lohnen
Die Zeit der schnellen Gewinne ist vorbei. Hohe Baukosten, neue Energieauflagen und strengere Kreditregeln verändern den Markt. Jetzt zählt, wer rechnen, planen – und vor allem unterscheiden kann: zwischen Risikoobjekt und Renditechance.

Intern nennt man das Ergebnis bereits zynisch „in Geld gegossenes Scheitern“. Milliarden aus dem Sondervermögen versickern in PowerPoint-Folien, Ausschüssen und Reformzirkeln. Die „Zeitenwende“ – ein Schlagwort, das im politischen Berlin immer hohlklingender wird.

Das letzte Gefecht: Glaubwürdigkeit

Die Bundeswehr kämpft nicht an der Front, sondern mit sich selbst. Pistorius’ größtes Projekt, die Digitalisierung der Truppe, steht sinnbildlich für ein tieferliegendes Problem: ein Ministerium, das Strukturreformen mit Fortschritt verwechselt und politische Kommunikation mit Führung.

Wenn der Verteidigungsminister ernsthaft glaubt, er könne die Bundeswehr bis 2029 kriegstüchtig machen, ohne ihre eigenen Systeme zum Laufen zu bringen, dann ist die größte Illusion des Projekts nicht technischer, sondern politischer Natur.

Am Ende bleibt das, was ein Beamter trocken formulierte – und was zum Leitsatz dieser „Zeitenwende“ taugt:

„In Geld gegossenes Scheitern.“