09. Juni, 2025

Finanzen

„Ich liebe Geld“ – aber nicht für mich allein

Aysel Osmanoglu, Vorstandssprecherin der GLS Bank, verzichtet freiwillig auf Teile ihres Gehalts. Warum eine Frau, die aus einfachsten Verhältnissen kam, heute eine der profiliertesten Stimmen für wertebasiertes Banking in Deutschland ist.

„Ich liebe Geld“ – aber nicht für mich allein
Während sich die Bilanzsumme der Deutschen Bank seit der Finanzkrise halbierte, verzehnfachte sich die der GLS Bank auf über 10 Milliarden Euro.

Vom Putzjob in die Chefetage

Als Aysel Osmanoglu vor drei Jahrzehnten nach Deutschland kam, hatte sie kein Netzwerk, kein Kapital und keine Kontakte. Dafür Putzjobs, ein Ziel und eine außergewöhnliche Hartnäckigkeit.

Heute führt sie als Vorstandssprecherin die GLS Bank in Bochum – Deutschlands größte Nachhaltigkeitsbank mit einem Bilanzvolumen von rund 10,7 Milliarden Euro.

Osmanoglu verkörpert einen Aufstieg, der mit klassischen Managementkarrieren wenig zu tun hat. Sie handelt nicht nach Karriereplänen, sondern nach Werten. Und das konsequent: Ihr eigenes Gehalt hat sie um mehr als 60.000 Euro gekürzt, weil sie sich nicht als jemand sieht, der „mehr verdient“ als andere im Vorstand.

„Ich liebe Geld“ – im wörtlichen Sinne

Was provokant klingt, meint Osmanoglu ernst: Geld sei Ausdruck von Verantwortung. Sie spricht von der „Qualität von Geld“ und sieht darin nicht bloß ein Tauschmittel, sondern ein Gestaltungselement für gesellschaftlichen Wandel. Wer sich mit „Casinogeld“ bereichert, hält sie für Teil des Problems.

In einer Branche, in der Bonusdebatten und Millionensaläre dominieren, fällt eine wie sie aus dem Raster. Und das ganz bewusst. Osmanoglu glaubt, dass Führung heute weniger mit Status als mit Haltung zu tun hat.

Deshalb spricht sie lieber von Teamarbeit als von Hierarchie – und überlegt offen, ob ihr eigener Posten noch zeitgemäß ist.

Der andere Blick auf Macht und Karriere

Osmanoglus Blick auf Wirtschaft wurde früh geprägt: Als Tochter der türkischen Minderheit in Bulgarien musste sie das Land verlassen, lebte in der Türkei unter patriarchalen Strukturen, emigrierte mit 18 allein nach Deutschland.

Die Finanzwelt erschien ihr zunächst fremd, BWL sinnlos, weil der Mensch darin nicht vorkam. Erst bei der Ökobank entdeckte sie, dass Wirtschaft auch anders geht.

Für Osmanoglu ist Geld kein Ziel, sondern ein Mittel. Sie glaubt an seine soziale Wirkung – nicht an Hochfrequenzhandel oder Bonusdynamik.

Die Ökobank wurde später von der GLS Bank übernommen. Osmanoglu blieb. Vom studentischen Nebenjob bis zur Vorstandsspitze durchlief sie alle Stationen. Und: Sie schuf ihre Karriere nicht durch Ellenbogen, sondern durch Strukturen, die sie selbst effizienter machte. Sogar ihren eigenen Bereich schaffte sie einmal ab.

Warum Reduktion auch Führung ist

Ihre Kolleginnen und Kollegen nennen sie „Aysel“, ihre Entscheidungen fällt sie ruhig, oft unbemerkt – aber mit Wirkung. Ihre Strategie für die Bank ist nicht Expansion um jeden Preis, sondern gesunde Skalierung und werteorientierte Klarheit. Sie spricht offen darüber, dass Karriere nicht automatisch „immer weiter nach oben“ bedeuten muss, sondern auch in die Breite oder Tiefe gehen kann.

Das nächste Beispiel: Osmanoglu wird voraussichtlich die Aufgaben einer Kollegin übernehmen, die in Rente geht – und den Vorstandssitz nicht nachbesetzen. Ein bewusster Rückschnitt der Hierarchie. Vielleicht auch ein Vorbild für eine Branche, die sich allzu oft in Symbolik verliert.

Haltung als Strategie

Osmanoglu steht für eine neue Art des Bankings. Ihre Bank dürfte für viele in der klassischen Finanzwelt belächelt sein: anthroposophisch geprägt, klimafixiert, wachstumskritisch. Doch das Konzept geht auf. Seit der Finanzkrise hat die GLS Bank ihre Bilanz verzehnfacht, während bei Großbanken wie der Deutschen Bank Rückgang das Hauptmotiv war.

Dass diese Entwicklung etwas mit Vertrauen, Transparenz und Haltung zu tun haben könnte, wird in Frankfurt und Berlin noch zu selten mitgedacht. Osmanoglu macht es vor: mit leiser Stimme, aber klarer Linie. Und vielleicht ist es genau das, was nachhaltige Führung heute ausmacht.

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