Der Machtkampf um die Masten
Vodafone hat entschieden – aber nicht gebrochen. Der britische Telekommunikationskonzern vergibt in Deutschland neue Aufträge an Samsung und erweitert damit sein Zuliefererportfolio. Doch wer auf eine entschlossene Abkehr von Huawei gehofft hatte, wird enttäuscht: Die Chinesen bleiben mit knapp 49 Prozent Anteil am deutschen Antennenzugangsnetz fest eingebaut – buchstäblich.
Damit ignoriert Vodafone die wachsende politische Forderung nach einem schärferen Umgang mit der chinesischen Netztechnik. „Das ist so, als würde man einen Brand mit einer Tasse Wasser löschen“, sagt Telekommunikationsexperte John Strand – und trifft damit den Nerv vieler, die in Huawei ein Sicherheitsrisiko sehen.
Samsung kommt – aber nur als Dritter
Die Entscheidung betrifft das Projekt „Spring 6“, eine der größten Netzmodernisierungen im europäischen Mobilfunkmarkt. Samsung wird laut Vodafone künftig neue Standorte aufbauen und einige bestehende modernisieren. Im Fokus stehen rund 6000 bis 7000 zusätzliche Antennen, die das Netz dichter und leistungsfähiger machen sollen.
Doch der Deal hat Grenzen: Samsung soll zwar mit moderner OpenRAN-Technologie in Norddeutschland starten, etwa in Wismar, doch der Großteil des bestehenden Netzes bleibt unangetastet. Der schwedische Ausrüster Ericsson hält weiterhin den Mehrheitsanteil von 51 Prozent an Vodafones Infrastruktur – und Huawei bleibt trotz Kritik der zweitgrößte Pfeiler des Systems.
Lehren aus Großbritannien – und die Angst vor dem Déjà-vu
Ein Blick nach Großbritannien zeigt, wie trügerisch solche Ankündigungen sein können. Auch dort hatte Vodafone einst groß angekündigt, Huawei-Standorte mit Samsung-Technik zu ersetzen. Zwei Jahre später, nach der Fusion mit Three, bekamen nur Ericsson und Nokia den Zuschlag – Samsung ging leer aus.
In Deutschland scheint sich das Muster zu wiederholen: große Worte, kleine Wirkung. Noch fehlt ein konkreter Plan, wie Huawei mittelfristig ersetzt werden könnte. Von einem echten Austausch ist keine Rede.
Politische Zwickmühle: Berlin bleibt zögerlich
Während Großbritannien, Schweden und Australien Huawei bereits weitgehend aus ihren Netzen verbannt haben, zögert Deutschland weiter. Das bestehende Verbot betrifft nur das Kernnetz und die zentrale Managementsoftware, nicht aber die Antennen selbst – also genau jene Komponenten, in denen Huawei weiter dominant ist.
Dabei verschiebt sich die „Intelligenz“ moderner Mobilfunknetze zunehmend vom Kern zu den Antennen. Mit dem Ausbau von 5G und künftig 6G werden die Rechenleistungen dezentralisiert – und genau hier liegt das Risiko. Wer die Antenne kontrolliert, kontrolliert Datenströme und Zugriffe.
Vodafone hält sich bedeckt. Man verweist auf „technologische Partnerschaften“ und „wirtschaftliche Notwendigkeiten“. Hinter den Kulissen aber weiß man: Ein flächendeckender Austausch der Huawei-Technik wäre ein finanzieller Kraftakt.
OpenRAN als Hoffnungsträger – oder nur ein Feigenblatt?
Mit Samsung zieht nun ein globaler Herausforderer in den deutschen Markt, der in der Theorie alles kann, was Huawei kann – von Chips bis Netzwerkmanagement. Doch die vielgepriesene OpenRAN-Technologie, die verschiedene Hersteller flexibel kombinieren soll, hat weltweit noch nicht gezündet.
Ihr Anteil am globalen Antennenmarkt sank 2024, und auch die Experten zeigen sich skeptisch. Strand etwa erwartet, dass sich der Trend fortsetzt: „OpenRAN bleibt teuer, komplex und technisch anfällig – zumindest bis echte Standards greifen.“
Samsung wird seine Technik zunächst mit Intel-Chips, Dell-Servern und der Cloud von Wind River einsetzen – ein Set-up, das bereits in britischen Tests lief. Der Start in Deutschland ist für 2026 geplant.
Ein Netz zwischen Wirtschaft und Geopolitik
Vodafone steht damit exemplarisch für das Dilemma vieler europäischer Betreiber: Einerseits wächst der Druck, sich von chinesischen Ausrüstern zu lösen – andererseits sind Kosten, Komplexität und Abhängigkeit enorm. Huawei liefert seit Jahren zuverlässig, technologisch führend und zu Preisen, die westliche Wettbewerber selten erreichen.
Solange Berlin kein klares Verbot erlässt, bleibt der Status quo bestehen. Und so dürfte Vodafone auch künftig ein Netz betreiben, das technisch brillant, aber politisch heikel ist.
Deutschlands digitales Rückgrat bleibt chinesisch geprägt
Mit Samsung an Bord will Vodafone Modernität demonstrieren – doch die Realität ist ernüchternd. Huawei bleibt tief im deutschen Mobilfunknetz verankert, während politische Entscheidungen weiter aufgeschoben werden.
Was als strategische Diversifizierung verkauft wird, ist in Wahrheit eine Stabilisierung des Status quo. Und während Wismar bald mit koreanischer Technik funkt, bleibt der Rest des Landes ein Hybrid aus westlicher Vorsicht und chinesischer Effizienz.
Oder, wie es ein Brancheninsider formuliert:
„Vodafone hat den dritten Spieler aufs Feld gebracht – aber den Ball hat weiter Huawei.“
